„Rumschwätzen hilft nicht“

PR-Berater Alexander Zang über Rettungsaktionen, selbstmörderische Botschaften und den Funke-Bumerang in BSE-Krisen

„Bei BSE sind Sicherheitserklärungen nicht besonders klug, weil man die Situation nicht kontrollieren kann.“

Interview: GEORG LÖWISCH

taz: Herr Zang, was sagen Sie, wenn Sie zu Ihrem Metzger gehen und der sagt: „Herr Zang, Sie sind PR-Berater, was soll ich angesichts von BSE tun?“

Alexander Zang: Dem Mann würde ich raten, sein Angebot vorübergehend auf Alternativen umzustellen.

Gemüse?

Nein, der müsste sich mit Geflügel oder mit Lamm profilieren.

Jetzt ist ja ein ganzer Wirtschaftszweig betroffen. Was soll der machen?

Eigentlich ist BSE für das Krisenmanagement eine relativ „einfache“ Aufgabe. Wir haben es mit einer klaren Bedrohung zu tun. Viel rumschwätzen hilft da nicht. Es gibt nur eins: Es muss dafür gesorgt werden, dass so viel Sicherheit wie möglich produziert wird. Erst dann kann über steigende Sicherheit geredet werden, aber niemals umgekehrt.

Aber Sicherheit zu produzieren ist nicht so einfach, wenn man nicht gleich alle Rinder schlachten will. Das mit den Tests dauert ja noch.

Sie müssen aber etwas tun. Diese Krise zu lösen erfordert zunächst eine richtige Handlungsstrategie und danach kommt erst die richtige Kommunikationsstrategie.

Ist es falsch, wenn die Agrar-Marketinggesellschaft CMA vor Panikmache warnt?

Nein, aber es ist kein Beitrag zur wirklichen Lösung der Krise. Tatsache ist doch, dass die Leute sehr informiert sind und ihr Verhalten nach diesem Wissen ausgerichtet haben: Der Verkauf von Rindfleisch ist ja zusammengebrochen. Da geht es nicht um Hysterie oder sonstwas. Natürlich muss die CMA das Rindfleisch wieder in den Markt zurückführen. Aber das geht nur, wenn sie Vertrauen zurückgewinnen: Erst Sicherheit produzieren und dann über diese Sicherheit sprechen.

Eine Maßnahme der CMA ist, sechs Spitzenköche vorzuschicken. Motto: „Rindfleisch bleibt eine unverzichtbare Köstlichkeit.“ Ist das clever?

Man kann Vertrauen schon über Autoritäten herstellen. Aber das kann in so einer Situation kein Gag, kein Event sein. Sondern es muss Hand in Hand gehen mit klaren unternehmerischen Entscheidungen wie kein Tiermehl, alle Tests etc. Sonst ist das Unsinn.

Glauben die Menschen denn an solche Autoritäten? Jeder Lobbyist hat doch heute seinen Wissenschaftler.

Das stimmt. Allerdings muss man sagen, dass persönliche Bekenntnisse einen relativ großen Einfluss haben. Man kann aber auch daneben liegen. So wie der zuständige Minister in England, der sich damals mit seiner Familie zum Rindfleischessen präsentiert hat.

Wieso war das daneben?

Weil zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Maßnahmen ergriffen worden waren. Das war nur Show und nichts dahinter.

Auch Bauernpräsident Sonnleitner hat ja gestern gesagt, er habe keine Probleme mit Rindfleisch, weil er nur Muskelfleisch esse und da sei noch nie was festgestellt worden. War das doof?

Die Wirkung von persönlichen Bekenntnissen ist eine Frage des Timings und des Kontextes. In einem Kontext, wo die Fakten auf dem Tisch liegen, die Verantwortlichen nichts unternehmen und trotzdem gesagt wird: „Leute, macht euch nicht verrückt!“, ist das ein Rohrkrepierer. Sozusagen imagemäßiger Selbstmord. Wenn es darum geht, Handlungsstrategien zu unterstützen und deutlich zu machen, was unternommen wurde, können solche persönlichen Erklärungen beim Rückgewinnen von Vertrauen verstärkend wirken.

Lauern bei der Außendarstellung vor allem Gefahren, wenn sich wie bei BSE die Realität ständig verändert?

Sie haben Recht: Realität konstituiert sich ständig neu. In dieser sich rasch verändernden Situation, in der BSE stattfindet, muss die Realität durch konkretes Handeln angegangen werden.

Das heißt: Radikal und vorausschauend handeln?

Das ist eine der größten Schwierigkeiten in dieser Situation. In solchen Fällen sind die Beteiligten sich zwar häufig im Klaren darüber, was sie tun sollten. Aber je mehr Interessensparteien es gibt, desto schwieriger ist es, sie alle hinter diese Strategie zu bekommen. Bei BSE haben wir viele Beteiligte: Von der Politik über die Futtermittelindustrie bis zu den Bauern, die alle ihre Lobby haben. Da Disziplin hineinzubringen, ist schwierig. Nehmen Sie doch nur die Fälle, in denen Rinder über die deutsche Grenze zum Schlachten gebracht wurden, um den Test zu umgehen. Das ist natürlich absolut vertrauenserschütternd, und derartige Fallstricke gibt es bei BSE zuhauf. Hier ist Führung gefordert.

Ist BSE schwieriger, weil es um Ernährung geht?

Ja, einmal, weil es für die Verbraucher existenzbedrohend sein kann und andererseits auch für die Bauern. Und da, wo es um Existenzen geht, wird nicht mehr mit dem Florett gefochten, sondern mit dem Säbel. Da haben Sie es schwer, ihre jeweilige Gruppe auf eine Strategie einzuschwören.

Wie ist das, wenn nun ein PR-Berater zum Landwirtschaftminister oder Bauernpräsidenten kommt, die Jahrzehnte an ihr Produkt geglaubt haben?

Ich kann das nur aus anderen Fällen berichten. Typisch ist, dass die Leute nach wie vor überzeugt sind, dass im Grunde alles in Ordnung ist und dass einige wenige Fälle diese Ordnung nicht erschüttern. Sie schauen auf die Quantität. Berater von außen müssen ihnen dann beherzt die Realität vorhalten, wie sie draußen existiert. Wie diejenigen die Welt sehen, die die Produkte kaufen sollen. Die schauen auf die Qualität und das heißt: Sie schauen aufs Risiko.

Der Minister Funke hat ja vor ein paar Wochen noch erklärt, er sei „felsenfest“ von der Ungefährlichkeit des deutschen Rinds überzeugt. Ist so was die schlimmste Panne, wenn man hinterher zurückrudern muss?

Wir leben in einer Null-Risiko-Gesellschaft. Die Menschen wollen sich nicht über Restrisiken bewusst sein. Wer gegen diese Blendung agiert, macht erst mal einen Fehler, weil die Menschen Sicherheiten wollen. Wenn solche Sicherheiten kaputtgehen, kann man sie mit solchen Erklärungen manchmal noch ein Stück aufrechterhalten, weil die Leute das glauben wollen. Das wird aber zum Bumerang, wenn es sich als falsch herausstellt. Bei BSE sind solche Sicherheitserklärungen nicht besonders klug, weil man die Situation nicht kontrollieren kann. Wenn ein Unternehmen in einer Krise Stellung nimmt, hat es ja wenigstens noch Einblick in die eigenen Vorgänge. Das hat ein Funke im BSE-Fall ja nicht.