Nicht nur für den Frieden ...

■ Bremens Deutsch-Polnische Gesellschaft ist 25 Jahre alt / Eigentlich wollte Hamburg damals Partnerstadt von Gdansk werden / Nach der Versöhnung heißt das Ziel EU

Kein Jubiläum wie jedes andere im Janusz-Korczak-Haus: Auch wenn einige meinen, die Deutsch-Polnische Gesellschaft sei heute nichts anderes als eine Deutsch-Französische: Bei der Gründung vor 25 Jahren war das ganz anders. Eine Plattform für menschliche Kontakte sollte sie sein, nicht für Funktionäre. Aber davor stand die Aussöhnung mit dem polnischen Volk, das wie kaum ein anderes unter dem deutschen Angriffskrieg gelitten hatte. Die Basis hatte der damalige Bundeskanzler Willi Brandt mit seinem Warschauer Kniefall und den Ostverträgen gelegt. Nun, nach der KSZE-Schlussakte von Helsinki, war es 1975 an den Bürgern, das neue Verhältnis mit Inhalt zu füllen.

Die Bremer gingen die Aufgabe mit Verve an. Eine Gesellschaft war schnell gegründet. Bei allem bürgerschaftlichen Engagement war der neue Verein so staatsnah wie nur vorstellbar. Erster Vorsitzender war Senatssprecher Manfred von Scheven, der gleichzeitig die Städtepartnerschaft mit dem polnischen Gdansk aushandelte – sehr zum Ärger seines Hamburger Kollegen: „Ihr habt uns die Partnerschaft mit Danzig damals weggeschnappt“, plaudert der auf der Jubiläumsfeier in den gediegenen Räumen am Osterdeich aus dem Nähkästchen, „aber Hamburg war ja selbst Schuld“.

Vor allem den Sozialdemokraten war die Verständigung mit Polen damals eine echte Herzensangelegenheit: „Nur der Westen – das war uns damals einfach zu eng“, erinnert sich Ehrenmitglied Christine Koschnick. In Bremen gab es dennoch keinerlei politische Widerstände gegen die Annäherung, die entsprechenden Beschlüsse passierten die Bürgerschaft immer einstimmig. Dabei hatten es die „Roten“ damals nicht immer leicht: Ständig liefen sie Gefahr, der Kol-laboration mit Polens kommunistischer Regierung bezichtigt zu werden. „Es wäre nie in Frage gekommen, dass Kommunisten bei uns Einfluss nehmen“, grenzt sich Koschnick noch heute klar ab. Dennoch sieht sie auch Fehler in der Arbeit: „Wir haben immer viel von Frieden geredet, aber zu wenig von Freiheit“, hadert Bremens ehemalige First Lady, „das hat mich dann schon angefasst, als ich die Leute der Lenin-Werft um ihre Freiheit kämpfen sah.“

Das war eine echte Bewährungsprobe für die Deutsch-Polnische Gesellschaft: Während des Kriegsrechts organisierten die Bremer humanitäre Hilfe für ihre Partnerstadt Gdansk, wo der Transitionsprozess seinen Ausgang nahm. Heute engagiert sich die Gesellschaft beim Erhalt von Kulturgütern in der Ostsee-Hansestadt, veranstaltet „Bürgerreisen“ (22.-28. Juni nach Gdansk), vergibt Stipendien, fördert Jugendkontakte und den Kulturaustausch. In vorderster Reihe steht dabei der deutsch-polnische Chor, der außer in Bremen auch regelmäßig in Polen auftritt – mittendrin seit dem ersten Tag die 90-jährige Dorothea Masurek, die immer noch stehend zweistündige Konzerte singt.

Aber auch politische Aufgaben bleiben für die Gesellschaft: Sie ist am Bremer Besuchsprogramm für ehemalige polnische Zwangsarbeiter beteiligt. Sie soll außerdem helfen, Polen „endgültig zurück nach Europa zu holen“, so der Grüne Bürgerschafts-Vizepräsident Hermann Kuhn. Für Henning Scherf (SPD) braucht es dazu ein Verhältnis „auf Augenhöhe". Nur des Bürgermeisters Formel dafür ist ein wenig eigenwillig: „Ihr, die ihr den Sowjetdruck überstanden habt; wir, die wir den Hitler überstanden haben“, macht er totalitarismustheoretisch irgendwie alles gleich. Aber das fällt kaum auf in der allgemeinen Feierlaune und mit zwei einfachen aber wichtigen polnischen Worten hat Danzig-Kenner Scherf wieder einmal die Lacher auf seiner Seite: „Kocham cie“ – „Ich liebe Dich.“ Zum Einsatz kam der 1958 bei einem Jugendcamp erlernte Satz allerdings nie: „Dazu bin ich viel zu brav.“

jank

Radio Bremen Melodie sendet am Heiligabend, um 11.05 Uhr, in der Reihe „Bremen 2000plus“ eine Aufzeichnung von der Jubiläumsfeier der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in Bremen vom Montagabend. Die Moderation übernimmt Theo Schlüter.