Viel Wein und Wurst – zu wenig Vitamine

Jeder zweite Deutsche ist übergewichtig. Der Grund: In der Pfanne brutzelt zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse

BERLIN taz ■ Die Ernährung genießt in Zeiten von wahnsinnigen Kühen ungewohnte Aufmerksamkeit. So konnten sich gestern die Autoren des aktuellen „Ernährungsberichts“ über ungewohnten Andrang freuen, als sie ihr Werk Gesundheitsministerin Andrea Fischer überreichten. Ihre Botschaft passt in die Debatte: Auch sie raten zu weniger Fleichkonsum – nicht nur von Rindfleisch. Zu viel tierisches Fett würde verzehrt, dagegen zu wenig Obst und Gemüse. Der daraus resultierende Mangel an Ballast- und Mineralstoffen ist laut Helmut Erbersdobler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), das wesentliche Problem. Dazu komme Bewegungsmangel. Die Folge: Jeder zweite Erwachsene sei übergewichtig.

Alle vier Jahre präsentiert die DGE im Auftrag der Bundesministerien für Gesundheit und Landwirtschaft ihren Bericht. Das DGE kann dabei auch Positives vermelden. So sei die Vitaminaufnahme generell ausreichend. Allein an Vitamin E, Betacarotin und Folsäure mangele es noch ein wenig. Mehr Obst und Gemüse essen, rät daher Erbersdobler. Der DGE-Präsident diagnostizierte ein „Nord-Süd-Gefälle“: „Süddeutsche Hausfrauen“ kennten sich besser mit Gemüse aus als die norddeutschen, und auch das Angebot sei dort reichhaltiger. Umgekehrt findet jodhaltiger Seefisch nur schwer den Weg nach Süden. Auch gebe es ein soziales Gefälle: Je geringer das Familieneinkommen, desto weniger Vitamine würden aufgenommen und desto größer die Neigung zum Übergewicht.

Nach dem Geschmack der DGE trinken die Deutschen immer noch zu viel Alkohol – obwohl der Konsum etwas zurückgegangen ist. Nach offiziellen Schätzungen trinken 2,7 Millionen Menschen „missbräuchlich Alkohol“, sind weitere 1,6 Millionen „alkoholabhängig“. Oder wie Erbersdobler es ausdrückte: Nur „im Durchschnitt“ sei „die Alkoholzufuhr ganz passabel“.

Auch gestern kam die Gesundheitsministerin nicht am Thema BSE vorbei: Eine Rückholaktion für Wurstwaren werde es nicht geben, sagte Fischer. In Wurstwaren würden schon seit Jahren keine Risikomaterialien wie Rinderhirn mehr verarbeitet.

Nach Meinung des DGE-Präsidenten sollten die Verbraucher auf anderes Fleisch ausweichen, besonders bei „anonymisierten Produkten“. Vom Verzehr von Wurst rät er ab, wenn sie Rindfleisch enthält. Fischer verwies auf die Deklarationspflicht für Wurst: „Der Verbraucher soll selbst entscheiden können“, erklärte sie offiziös. Und ergänzte: Sie persönlich werde solche Wurst jedoch nicht kaufen. Deutlicher kann eine Ministerin kaum werden. THOMAS STROHM