Kapriziöse Bündnisse

Präsident und Regierung in Frankreich streiten um die Termine für die Wahl von Präsident und Parlament im Jahre 2000. Und die Parteien streiten mit

PARIS taz ■ Im Jahr 2002 geht es in Frankreich um den Palast. Im Abstand von wenigen Wochen müssen sowohl eine neue Nationalversammlung als auch ein neuer Staatspräsident gewählt werden. Das steht fest, seit Jacques Chirac im Sommer 1997 die für ihn fatale vorzeitige Auflösung des Parlaments verfügte, die zum Machtantritt einer rot-rosa-grünen Regierung führte. Bislang stand auch fest, dass zuerst ein neuer Präsident und anschließend ein neues Parlament gewählt wird. So folgt es logisch aus dem Wahlrhythmus der beiden Institutionen. Und so sahen es bis vor wenigen Wochen sowohl der Staatspräsident als auch der Premierminister.

Doch am 26. November, auf dem Kongress seiner sozialistischen Partei in Grenoble, besann sich Premierminister Jospin eines anderen Termins. Seither will er, dass zuerst das Parlament und dann der Präsident gewählt werden soll. Das ist zwar das exakte Gegenteil dessen, was er vorher sagte. Doch Jospin nennt es einen „logischen Kalender“ und eine „Wiederherstellung“ des Geistes der V. Republik. Für Präsident Chirac ist dies eine „Umkehrung“ aus „persönlicher Konvenienz“. Man ändere nicht die Spielregeln kurz vor Beginn des Spiels, so Chirac.

Seit gestern debattiert das französische Parlament über die Wahltermine. Der Vorschlag der sozialistischen Partei, der heute Nachmittag zur Abstimmung kommen soll, sieht eine Verlängerung der parlamentarischen Amtszeit um mehrere Wochen vor. Die gestrige Debatte darüber führte zu selbst für französische Verhältnisse interessanten Allianzen. Auf der einen Seite sind die Sozialisten zusammen mit einem Drittel der rechtsliberalen UDF für die Verschiebung. Auf der anderen Seite sind die mitregierenden Kommunisten und Grünen zusammen mit den oppositionellen Neogaullisten und den übrigen zwei Dritteln der UDF „gegen die Manipulation“.

Beide Seiten sind natürlich zutiefst davon überzeugt, die wahren Verteidiger der französischen Verfassung zu sein. Vielen Franzosen hingegen, die die Debatte gestern verfolgten, klang sie wie ein Déjà-vu aus dem Jahr 1997. Damals taten sie exakt das Gegenteil dessen, was ihr Präsident von ihnen erwartet hatte. Die daraus resultierende rechts-linke Kohabitation – die längste der französischen Geschichte – mag vielen Politikern missfallen haben, dem Volk aber gefiel sie. Wahlterminkalender hin oder her, niemand kann derzeit ausschließen, dass die kapriziösen Franzosen im Jahr 2002 wieder eine Kohabitation wählen.

DOROTHEA HAHN