Wo Pferde, Arbeiter oder Eis durchgehen ...

■ Das Metropolis-Kino präsentiert eine anarchische Auswahl an Filmen zum Fest – Wir sortieren

Is' ja alles immer so'n Zufall, ne: dass der gutaussehende Lover der Mutter dann auch noch gleich die Tochter von ihrem Trauma kuriert. Und dass das alles im ländlich-idyllischen Ambiente Montanas spielt, wo der verwegene Blick eines Ranchers (Robert Redford) die einzige Abwechslung bietet. Denn er selbst ist Der Pferdeflüsterer im gleichnamigen Film, der reines Seelenfutter für Pferdenärrinnen um die 14 ist. Und natürlich wurde noch 'ne Love-Story eingebaut, damit auch die begleitenden Mädchenmütter was zu träumen kriegen. Ganz schön breites Publikum also, das der Film anspricht, in dem die 14jährige Grace (Scarlett Johansson) vom Pferd stürzt, beinamputiert wieder aufwacht, und darob am Lebenssinn zu zweifeln beginnt, zumal das Pferd infolge des Sturzes ziemlich wahnsinnig geworden ist.

Tja, und dann... wird eben jener Rancher herbeigeholt, der sich einfühlt in Pferd, Mutter (Kristin Scott Thomas) und Tochter und urteilt, dass aus dem Tier vielleicht noch was zu machen wäre. So kommt es dann auch, und dass der Pferdeseelendoktor beruhigend und stimulierend auch auf Mutter und Tochter wirkt, war irgendwie zu erwarten... Bei der akuten Pferd-Wiederzähmung wird's dann ein bisschen wie im Kleinen Prinzen; stundenlang ins Montanagras hockt sich da der schnittige Redford, das Pferd unauffällig fixierend, bis es sich abführen lässt. Und wie schön ist es da, dass sich die Tochter am Ende wieder – mit Hilfen zwar – auf das hoffentlich endgültig geheilte Pferd setzt. Schön auch, dass die Mutter parallel zum Pferd erzahmte, sensibelst angetippt von – na? – richtig: dem einsamen Rancher himself! Petra Schellen

22., 25.12., 17 Uhr, 23.12., 19 Uhr

Ein Film von titanischen Ausmaßen war 1927 bei seiner Erstaufführung Fritz Langs Metropolis: Mit einer 17-monatigen Produktionszeit, 36.000 Komparsen und 1.600.000 Mark allein für Arbeitslöhne war er nicht nur der aufwendigste und teuerste von der UFA je produzierte Film des späteren Exilanten Lang, auch die Tricktechnik erreichte ein für damalige Verhältnisse ungeheures Ausmaß. So mussten etwa 300 Modellautos für jedes Bild wenige Millimeter vorgerückt werden, um den Eindruck von Bewegung zu erzielen. Auf der rückwärts gerichteten Spur, die Erinnerung ist, werden für heutige ZuschauerInnen vor allem Bilder aus Bladerunner wach, sieht man sich die Modellstadt Langs an.

Die in die Zukunft projizierte gesellschaftliche Situation in der Stadt Metropolis sah jede Menge Dichotomien vor: unter ihnen die von Masse und Individuum, die von einer düsteren Unterwelt-Gegend, in der die Arbeiter wohnen, und einer Oberstadt der Herrscherschicht und nicht zuletz die der Heiligen und der Hure, eine Lichtgestalthafte Maria und eine falsche, die Roboter-Maria, eine Hetäre werben durch ihre jeweiligen Mittel um die Arbeiter, um sie wahlweise zu pazifizieren oder aufzustacheln. Letzteres plante der Industrielle Fredersen, will er doch die angezettelte Revolte zur endgültigen Unterwerfung der Arbeiter nutzen. Neben solchen Verschwörungsszenarien gehören antisemitische Stereotype zum Bilderfundus des Stummfilms, überprüft werden kann das am ersten Weihnachtsfeiertag. Christiane Müller-Lobeck

25.12., 20 Uhr

Ja sicher, Sie könnten diese erneute, wohl erfolgreichste filmische Bearbeitung jenes längst klassisch gewordenen Stoffes der beginnenden Moderne, Parabel vom Scheitern menschlicher Vermessenheit, den Untergang der Titanic, auch im TV ansehen, zwischen anderen prominent besetzten Tränenziehern, Bibelverfilmungen – allem, was ein rechtes Weihnachtsprogramm so ausmacht. Aber mal ehrlich: Hieße ein allenfalls 72 cm-Bild, mäßiger Stereo-Ton und – nicht zuletzt – ungefähr acht zu erwartende Werbeunterbrechungen nicht, die eigentlichen Stärken zu verkennen, die das großangelegte Werk von James Cameron ausmachen (und das sind nicht etwa Kate Winslet und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen)?

Der kolossalischen Lesart von „zeitaufwendigem Gefühlskino“ (NZZ), dieser „Klassenschranken übergreifenden Liebesgeschichte“ (Programmheft) im Kino beizuwohnen, heißt ja nicht zuletzt, noch einmal teilzuhaben am (so wird es demnächst die Geschichtsschreibung vermelden) markanten Ereignis der späten Celluloid-Ära; ehe auch die Projektion digitalisiert wird – und die kollektive Kinosituation mitsamt ihrer Nachteile (verbindliche Anfangszeiten, unterschiedlich gute Plätze) auf ihre letzte Fahrt geht. Nur in der Großprojektion lässt sich so recht in Augenschein nehmen, wie „jeder Pixel ... an seinem Platz“ ist (SZENE Hamburg) und wie sich „Leitmythos“ und großes Versprechen des Kinos erfüllen: die „Neuerschaffung der Welt in ihrem eigenen Bild“ (André Bazin). Alexander Diehl

26. + 29.12., 17 Uhr, 27. + 28.12., 19 Uhr

„Eine Familie ist so was wie die Antimaterie von einem selbst, sie ist das Nichts, aus dem du kommst und dahin gehst du zurück, wenn du stirbst.“ Deshalb sind die Fantastic Four das Ideal der Familie. Sie lösen sich gelegentlich in Antimaterie auf: ihr Privileg als Comicfiguren. Wer 1973 in Connecticut als Bürgerkind pubertiert, hat nicht dieses Privileg, sondern sein Arrangement zu treffen mit Eltern, deren vorauseilender Liberalismus hinterrücks autoritär wird. Deren Sehnsucht nach kindlicher Unbefangenheit der eigenen nach Erwachsenwerden entgegensteht. Während Papa mit der Nachbarin schläft, verführt die Tochter deren beide Söhne gleichzeitig. Und der Junge, der in den Eissturm hinausgeht, dorthin, „wo die Molekülketten zerreißen und die Luft ganz klar ist“, stirbt. Sehr malerisch, ein Comictod.

Ang Lee hat einen Roman, der nach Parodie förmlich schreit, in einen – auch humorvollen – Film übersetzt, der an keiner Stelle die respektierende Distanz zu seinen Figuren aufgibt. Als später Happiness und American Beauty die Demontage des Kernmodells Familie eingetauscht haben gegen interesselosen Zynismus, hatte Der Eissturm bereits geltend gemacht, dass noch vor der Ironie erst einmal genau hinzuschauen sei.

Der Film ruht sich nicht aus auf der geschickten Architektur seiner Leitmotive – den Eiswürfeln auf der Schlüsselparty, den tiefgefrorenen Thanksgiving-Puten, dem Schmutzigblau der Farben, schließlich der Erstarrung der Welt im Eisregen – sondern gleitet entlang an Bildoberflächen und Sprachfloskeln, die ihm sowenig wie seinen Figuren den Trost eines „tieferen“ Gegenentwurfs bieten können. Lee analysiert, er verklärt nicht. Das Ende ist versöhnlich, weil ohne Alternative. – „Tu mir einen Gefallen, vergiss einfach, was ich gesagt habe.“ „Klar Dad.“ Urs Richter

28.12. + 1.1., 17 Uhr, 29. + 30.12., 21.15 Uhr

außerdem im Metropolis: Im Zeichen des Bösen, Es war einmal in Amerika, Zeiten siehe Programm