Prozesssplitter
: Brutal hilflos

■ Bunkermordprozess: Dritter Angeklagter erklärt sich – zum schuldigen Opfer

Bloß kein Wort zu viel sagen. Nach dieser Devise verhielt sich gestern, am letzten Verhandlungstag des Bunkermordprozesses in diesem Jahr, Seymus M. Der 34-Jährige, einer von vier Angeklagten, hatte seit Prozessbeginn im April über seine Beteiligung am Mord des jungen kurdischen Paares Ayse Dizim und Serif Alpsozman geschwiegen, ebenso wie Mehmet E., dem die Anstiftung zur Tat im Auftrag der PKK vorgeworfen wird. Bislang ergab sich Seymus M.s Tatbeteiligung deshalb aus Ermittlungen und Aussagen von Mitangeklagten, wonach er vor allem als „Fahrer“ auftrat. Auf diese Rolle stellte M. denn auch seine gestrige Erklärung ab.

„Ich bin schuld am Tod des schwerbehinderten Zerdan und seiner Frau Ayse. Sie waren zusammen glücklich“, bekundete M. Er wolle die Wahrheit sagen, obwohl die Mitangeklagten Iskender T. und Ahmet T. ihn bedrängt hätten, zu ihren Gunsten auszusagen. Die beiden Männer belasten sich gegenseitig, treibende Kraft beim Doppelmord im Auftrag der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gewesen zu sein, der sie sich nicht hätten entziehen können. Als Motiv gilt ein Disziplinierungsversuch der PKK gegen „privatisierende“ – statt für die Freilassung von Öcalan demonstrierende – PKK-Leute wie Serif Alpsozman und Ayse Dizim.

Angst vor Bedrohung äußerte gestern auch Seymus M. Seine Familie würde unter Druck gesetzt. Doch erkenne er seine Mitschuld und wolle sprechen. Einschränkung: „Nicht gegen oder für jemanden.“ So geriet die Erklärung vor allem zur Aussage eines Schwerkranken, der – wohl nicht grundlos – auf sämtliche Möglichkeiten der Schuldminderung spekuliert.

Ja, er habe das Auto in der Tatnacht gelenkt – aber nicht gewusst, wofür und wohin. Sein Cousin Iskender T. habe ihn „da reingezogen“. Dieser und der Mitangeklagte Ahmet T. hätten ihn behandelt „wie einen Fahrschüler“ – der aber doch irgendwann, nachdem Iskender T. mit dem von der Polizei noch gesuchten PKK-Funktionär Servet telefoniert hatte, gesagt haben will, dass er nicht mitmachen wolle. Am Tatort Bunker Valentin sei ihm, der gegen schwere Diabetes und Stoffwechselstörungen keine Medikamente dabeihatte, schon schlecht gewesen. Schwarz vor Augen sei ihm geworden, nachdem er – auf Ahmet T.s Befehl – den vors Auto geworfenen Serif Alpsozman überfahren hatte. So schlecht es M. damals auch gegangen sein mag – gestern wusste er noch: „Ich habe gesagt, ihr habt ihn sowieso getötet“. Wie um klarzustellen, dass er Alpsozman nicht bei lebendigem Leib mit dem Auto zerquetscht haben könnte, fuhr er fort, „nicht gespürt“ zu haben, wie er ihn mit dem Wagen „berührte“. Da war Ayse schon im Schlamm erstickt.

Fragen von Prozessbeteiligten beantwortete Seymus M. mit Hinweis auf seine Krankheiten gestern nicht – auch nicht zur Behauptung, in der Tatnacht keine Schusswaffe gesehen zu haben; ein Entlastungshinweis für Cousin Iskender T., von dem Ahmet T. mittels vorgehaltener – aber nie gefundener – Pistole zum Mitmachen gezwungen worden sein will. Iskender T.s Verteidiger Rolf Bossi reagierte gestern dennoch unwirsch. „Wer die Wahrheit sagen will, erklärt sich zu Beginn des Prozesses und wartet nicht ab, was die Beweisaufnahme bringt.“ ede