schnittplatz
: Organe der Begierde

Gott hat den Magen mit einer Wand versehen. Drei Millimeter ist sie dick, und dann kommen noch eine Menge Muskeln oder Fett. Aus gutem Grund. Es wäre ums Geheimnis des Lebens geschehen, könnte man sehen, wie drei Liter Fassungsvermögen mit Magensaft durchmischt und in den Darm gedrückt werden. Ein Haufen Schleim mit Bröckchen als Wunder?

Aber die Magenwand bewahrt das Mysterium. Nur hat Gott nicht an den Voyeurismus der Mediengesellschaft gedacht. Vor dem gilt es den Magen zu retten. Ja, die „Dignität des Magens“ zu wahren. So formulierte Ex-FAZ-Herausgeber F.U. Fack jüngst in seiner Laudatio zur Verleihung des „Ludwig-Dehmling-Medienpreises“ das hehre Ziel der Verleihenden. Die heißt „Gastroliga“ und bekämpft Krankheiten von Magen, Darm, Leber und Stoffwechsel sowie Ernährungsstörungen.

Die Gesellschaft, vertreten durch zwei Dutzend älterer Herren in neueren schwarzen Anzügen, bekämpfte bei der Verleihung erst einmal den eigenen Ernährungsmangel mit Prosecco und durchmischten Häppchen. Dann schritt man zur Verteidigung der Dignität von Darm und Leber, vertreten durch den Kollegen Magen. Dem ist ein Umfeld von TV-Magazinen, in denen auch bekannte Schauspieler auftauchen, einfach nicht angemessen. Sagte Ex-FAZ-Fack. Wohlwollendes Raunen allenthalben. Gerade im heutigen Fernsehprogramm müsse Magenberichterstattung geschützt werden vor „Effekthascherei“. Man sieht die Journalistenmeute förmlich das Organ der Begierde umlagern, gierig nach geilen Bildern vom Magensaft stecken sie ihre Linsen in verbotene Regionen!

Wo aber in „unserem heutigen Fernsehprogramm“ (Fack) findet sich noch die für den Darmjournalismus nötige Seriosität? Natürlich im bekannten N3 Gesundheits- Magazin „Visite“. Das bekam dann auch den Preis für die Sendung „Ärger mit dem Magen“ – beispielgebend für die heutige Fernsehwelt sei die gewesen, diese verständlich formulierte Arbeit „über die Erkrankungen des Gastroinestinaltraktes und deren Prävention“.

Und seriös natürlich: „Bloß keine Schwarzwaldklinik! Bloß keine Schwarzwaldklinik!“, ruft Fack. Denn ein Magen ist nicht zum Anschauen da, sondern zum Verdauen. KONRAD LISCHKA