Gegen die Kriegspartei

Der Farbbeutelwerfer von Bielefeld steht wegen der Attacke auf Außenminister Fischer vor Gericht

von NICOLE MASCHLER

Am Anfang seiner politischen Karriere hantierte Joschka Fischer selbst mit Wurfgeschossen – diesmal war er das Ziel. „Der Treffer markierte für alle sichtbar, dass an Fischers Händen Blut klebt.“ Blutrot war auch die Farbe, mit der Samir F. den Außenminister im Mai 1999 bewarf. Doch stärker als das Ministerohr war die grüne Seele verletzt: Der Konflikt zwischen Kriegsgegnern und Befürwortern der Nato-Luftangriffe auf Serbien drohte die Partei auf diesem Sonderparteitag in Bielefeld zu spalten.

Heute muss sich der Beutelwerfer vor dem Bielefelder Amtsgericht verantworten – wegen gefährlicher Körperverletzung. Samir F. drohen sieben Monate Haftstrafe auf Bewährung. „Natürlich habe ich das Gesetz gebrochen“, räumt der 36-Jährige ein. Doch „das steht in keinem Verhältnis zu dem Bruch des Völkerrechts, den die Grünen zu verantworten haben“.

Auch Samir F. selbst ist nur schwer zu fassen. Der 36-Jährige trägt Frauenkleider und nennt sich selbst Samira. „Transvestit besudelt Fischer“, titelte die Bild-Zeitung. Wer sich den gesellschaftlichen Normen entzieht, irritiert.

Auch die Leute aus der Szene, erinnert sich Samir, konnten nicht damit umgehen, dass er plötzlich zur öffentlichen Person wurde. Der alternative Jugendzirkus, in dem er bis dahin gearbeitet hatte, beurlaubte ihn zunächst, zwei Wochen später war er entlassen. Dagegen hat er geklagt – und verloren.

Auch heute rechnet Samir nicht mit einem Erfolg vor Gericht. Doch von seiner Aktion ist er noch immer überzeugt. Auf parlamentarischem Weg Kritik zu üben führe in die Sackgasse – das zeige sich am Beispiel der Grünen.

Fischer hatte dem Beutelwerfer angeboten, auf juristische Schritte zu verzichten, wenn er die Behandlung des geplatzten Trommelfells bezahle und für die Kosovo-Hilfe spende. Erst einmal müsse der Außenminister die Menschen in Jugoslawien für die Kriegsfolgen entschädigen, ließ Samir ausrichten. Den Strafbefehl hat er nicht angenommen. „Ich will zeigen, dass Widerstand möglich ist.“

In Bielefeld gehörte Samir F. zur linksautonomen Szene, seit 1996 lebt er in Berlin. „Es ist wichtig, Unabhängigkeit gegenüber allen Institutionen zu wahren.“ Einen Grund, sich von der Protestaktion zu distanzieren, sieht er nicht. „Der Bruch zu den Grünen wurde sichtbar hergestellt“, hat er in einem Interview gesagt. „Diese Partei ist eine Kriegspartei. Es gibt keine Verständigung mehr.“