Ruandas Politiker sind auf Linie

Offene politische Machtkämpfe gibt es unter dem neuen Präsidenten Paul Kagame nicht. Dafür mehren sich Korruptionsvorwürfe und Gleichschaltungsversuche in der Politik

KIGALI taz ■ Frühmorgens erwacht die ruandische Hauptstadt zum Klang von Hammerschlägen. Überall in Kigali wird gebaut: hier ein Einkaufszentrum, dort eine Villa, besonders gigantisch ein neuer Gebäudekomplex des Verteidigungsministeriums. Hinter dem Justizpalast wächst ein fünfstöckiges Betonmonster in die Höhe. „Das ist das Haus des Generalstaatsanwalts“, weiß der sachkundige Begleiter.

In Ruanda hat sich zwar das politische Klima beruhigt. Anfang dieses Jahres waren im Rahmen eines Machtkampfes an der Staatsspitze nacheinander der Parlamentspräsident, des Premierminister und der Staatschef zurückgetreten. Erst nachdem Vizepräsident Paul Kagame Präsident wurde, schlossen sich die Ränge. Aber nun mehren sich Vorwürfe, mächtige Figuren der herrschenden RPF (Ruandische Patriotische Front) dächten vor allem an sich selbst.

Mehrere hohe Militärs und führende Völkermordüberlebende (rescapés) haben mit der Regierung gebrochen oder sind gar ins Exil gegangen. Einer der intellektuellen Leitfiguren der rescapés sagt bitter: „Als Kagame sagte, wir Überlebenden sollten unsere Gefühle jetzt mal wegschließen, war für mich Schluss.“

Offiziell arbeitet die ehemalige Tutsi-Guerillabewegung RPF, die Ruanda seit dem Zusammenbruch des für den Völkermord an 800.000 Menschen verantwortlichen Regimes 1994 regiert, an einer kontrollierten Öffnung. Es gab dieses Jahr erste Direktwahlen auf der untersten kommunalen Ebene, nächstes Jahr sollen richtige Kommunalwahlen folgen. Ähnlich wie im benachbarten Uganda treten keine Parteien gegeneinander an, sondern Einzelpersonen – das soll den Wiederausbruch der alten Hutu-Tutsi-Konflikte verhindern.

Aber die ersten Wahlen waren nicht geheim, und die zweiten sollen nicht direkt sein. „Um die Macht zu behalten, muss die Führung die Ruander und die internationale Gemeinschaft davon überzeugen, dass eine richtige demokratische Öffnung nicht möglich ist“, glaubt Noel Twagiramungu, Leiter der Menschenrechtsorganisation LDGL (Liga für Personenrechte in der Region der Großen Seen).

„Schlechtes Benehmen“

Seiner Meinung nach hat Kagames Aufstieg das Präsidialamt und die RPF-Spitze auf Kosten von Kabinett und Parlament, wo auch andere Parteien vertreten sind, gestärkt. Das strafft zwar die Arbeit der Regierung, der internationale Geldgeber gute Arbeit bescheinigen, engt aber politische Spielräume ein und verhindert offene Debatten – zum Beispiel über die zahlreichen Korruptionsvorwürfe. Und in Vorbereitung der Kommunalwahlen mehren sich Versuche, Politiker auf Linie zu bringen.

Ein Beispiel dafür ist ein Brief, den der Minister für Lokalverwaltung am 28. November dem Präsidenten der kleinen Sozialdemokratischen Partei (PSD) schrieb. Darin stand: „Ich habe die Ehre, Sie zu informieren, dass Ihr Mitglied, der ehrenwerte Abgeordnete Pasteur Nsabimana, sich in seiner Geburtsregion Cyangugu schlecht benimmt, weil er die Bevölkerung dazu anstiftet, gegen die Regierung der Nationalen Einheit zu rebellieren, obwohl diese Regierung der Bevölkerung beibringt, wie man sich entwickelt. Es ist traurig, dass eines Ihrer Mitglieder, Abgeordneter in der Nationalversammlung, den Zielen der Regierung widerspricht.“

Kopien davon gingen an Ruandas führende Politiker, aber nicht direkt an den inkriminierten Abgeordneten. Die PSD bat daraufhin unterwürfig um weitere „nützliche Informationen“.

Die Anschuldigungen haben mit einem Misstrauen der Zentralmacht gegen die Region um Cyangugu zu tun, die im Südwesten Ruandas an der Grenze zum unruhigsten Teil der Demokratischen Republik Kongo liegt und über deren Bewohnern ein Beamter lästert, sie seien „keine richtigen Ruander“. Von politischen Geheimtreffen in Höhlen ist die Rede. Unabhängige Beobachter halten das für Unsinn.

In der RPF-nahen Zeitung Imvaho konnte sich Nsabimana diese Woche gegen die Vorwürfe wehren. Der Kolumnist des unabhängigen Blattes Rwanda Newsline, Shyaka Kanuma, hatte weniger Glück. Er hatte unter der Überschrift „Wie wir in den Abgrund steuern“ der ruandischen Armee Korruption vorgeworfen. Jetzt musste er sich wortreich entschuldigen – unter dem Titel: „Der bedauerliche falsche Eindruck dieser Kolumne“.

DOMINIC JOHNSON