Holstein-Fresien entspannt

■ Frau Adolf hält Händchen bei Bauer Sündermann / 80 namenlose Kühe lassen es klaglos über sich ergehen / Noch ist bei ihnen auch kein BSE gefunden worden

Es war der Wunsch der Gesundheitssenatorin, sich einen Eindruck vor Ort zu verschaffen. Und so machte Hilde Adolf (SPD) mitsamt Stab und Journalistentross eine kleine Landpartie zum Hof des Präsidenten der Landwirtschaftskammer Hermann Sündermann, idyllisch gelegen am Rande Oberneulands.

Draussen klirrt die Kälte, Reif liegt auf den Weiden, im Kuhstall dann dampfen die Jacken und Mäntel der Delegation, die vom Bauern und seinem Junior geführt wird. Der Hof ist ein klassischer Familienbetrieb. „Zwei Generationen leben hier unter einem Dach, nein drei: vor fünf Monaten hab ich einen Enkel gekriegt“, sagt Sündermann. Und dann sind da noch die gut achtzig Milchkühe von der Sorte Holstein-Fresien, die auf dem Hof ihren Dienst tun. Nur die „Lieblinge“ tragen einen Namen.

Ein neuer Reitstall mit Pferdeboxen ist seit kurzem Teil des Hofs. Als zweites Standbein, wie der Landwirt erläutert. Und das kann er brauchen. Die Sündermanns betreiben zwar seit einem Jahr keine Bullenmast mehr, aber sie verkaufen die Bullenkälber und der Preis ist pro Kalb von 580 auf 220 Mark gefallen.

Über die Gefahr, BSE-befallene Tiere zu haben, sagt nämlich – wie man weiß – die Größe des Hofes gar nichts. Alle drei in Deutschland erwiesenermaßen erkrankten Tiere sind in Familienbetrieben entdeckt worden.

Zur BSE-Krise findet der Bauer recht deutliche Worte gegenüber der Politik. „Dass die hier immer gesagt haben, Deutschland ist BSE-frei – das war doch totaler Quatsch“. Sündermann regt sich vielmehr drüber auf, dass die Politik das Thema so lange hat schleifen lassen. „Wenn mehr Geld in die Forschung gegangen wäre, dann hätten wir vielleicht schon den Test fürs lebende Tier“, glaubt er. Auf seinem Hof, da ist er sich sicher, ist BSE-mäßig alles in Ordnung, er kann's nur nicht beweisen.

„Wir Politiker entwickeln die Tests ja nicht“, erwidert etwas ausweichend Frau Adolf. Aber letztlich gibt sie zu, dass man in der großen Politik wahrscheinlich einiges versäumt habe. „Ich kann aber sagen, dass wir in Bremen alles, was möglich ist, auch getan haben.“

Die Kühe von Bauer Sündermann werden von Verdener Bullen besamt, als Futter bekommen sie Silage mit Mais und als Kraftfutter Mineralien und Sojaschrot – alles vom örtlichen Landhandel. Rechtzeitig zum hohen Besuch hat das Veterinäramt Proben entnommen und auf Tiermehlbestandteile getestet – mit negativem Ergebnis.

Seit Einführung der BSE-Zwangstests ist allerdings noch keines der Sündermann-Rinder geschlachtet worden. Im März wird es wohl soweit sein. Bevor sie zu Wurst oder Fleischbrühe werden, sind sie mit einem Durchschnittsalter von fünf Jahren jedenfalls im testfähigen Alter.

Den schwarz-weißen Rindern scheint indes die Stippvisite mehr oder weniger am breiten Hinterteil vorbeizugehen. „Sie sind ruhig und entspannt“, umschreibt der Bauer das typische Phlegma, und will damit sagen, dass er das liebe Vieh gut behandelt. „Sonst wären die viel nervöser, wenn so viele Leute hier rein kommen.“

Und was erhofft er sich nun von Frau Adolf? „Dass sie mit uns an einem Strang zieht.“ Schließlich wollten die Bauern ihr Fleisch wieder verkaufen. Um 70 Prozent ist der Umsatz bei Rindfleisch zurückgegangen. Aber da kann Frau Adolf nicht allzu viel versprechen. „Ein Resumee wäre verantwortungslos“, sagt sie. Und: sie wolle die Bauern bei ihren Bemühungen um Transparenz zwar nach Kräften unterstützen. „Aber zuvorderst vetrete ich das Schutzinteresse der Verbraucher.“ Bis jetzt sind in Bremen und Bremerhaven rund 1.500 Proben entnommen worden und in einem Hamburger Institut auf BSE getestet worden. Noch ist dabei allerdings keine Erkrankung festgestellt worden.

Frau Adolf zögert mit der Antwort auf die Frage, ob sie selbst noch Rindfleisch esse, ein ganz klein wenig. Doch dann kommt mit fester Stimme: „Ja“. Für eine andere Antwort wäre allerdings der Kreis auch ein bisschen unpassend.

Elke Heyduck