Transzendental entrückt

Guido Möbius bastelt mit viel Liebe und Akribie kleine Vinylfetische. Auf den bisher bei seinem Label veröffentlichten Singles gibt es nur Songs, die mit lediglich einem Instrument eingespielt wurden

von ANDREAS HARTMANN

„Die zwei Platten kommen so frisch aus dem Presswerk, dass eine davon noch nicht mal ihren Stempel bekommen hat.“ Guido Möbius ist es sichtbar unangenehm, dass die Release-Nummer zwei auf seinem Label Emphasolo noch nicht komplett schick daher kommt. Wenn er sich schon ein hoch konzeptuelles Label leistet, bei dem auf die liebevolle Gestaltung der Tonträgerverpackung fast ebenso viel Wert gelegt wird wie auf die Musik, dann sind halbe Sachen nicht so angesagt. Obwohl man durch die beiden komplett designten und gestempelten Singles auch schon einen guten Eindruck bekommt, mit wie viel Akribie und Leidenschaft hier kleine Vinylfetische gebastelt werden. Jeder Emphasolo-Release ist eine Split-Single mit zwei Vorderseiten. Da der Trick bei Emphasolo darin besteht, die jeweiligen Künstler nur mit einem einzigen Instrument hantieren zu lassen, bietet es sich für Möbius förmlich an, das jeweils verwendete Instrument als Stempeldruck abzubilden. Vom Akkordeon bis zur Farfisa-Orgel sind alle wunderschön.

Ein Track auf einer Single-Seite, eingespielt mit lediglich einem Instrument. Wer nun denkt, das wäre bestenfalls eine witzig verschrobene Idee, die aber in der Umsetzung zum Scheitern verurteilt ist, weil zu viel Zwangs-minimalismus jeder kreativen Entfaltung ein Korsett anziehen würde, irrt. Wie die Geschichte der Avantgarde bewiesen hat, führen freiwillig auferlegte Verbote und Einschränkungen eben immer wieder zu überaus reizvollen Ergebnissen. Weil man sich mit bestimmten gegebenen Bedingungen auseinanderzusetzen hat, also eine Aufgabe gestellt bekommt. Anhand von Emphasolo-Singles mitzuverfolgen, wie diese individuell gelöst wird, ist in gewisser Hinsicht spannender, als einfach nur mit einem weiteren völlig entgrenzten Kulturprodukt konfrontiert zu werden.

Solche Erzeugnisse gelingen vor allem dann, wenn die Entstehungsbedingungen hinter das Ergebnis treten. Wenn es sich dabei um Popmusik handelt, natürlich erst recht. Bei Emphasolo geht es trotz der Betonung des Konzeptuellen glücklicherweise vor allem um Popmusik. Auch wenn diese im Grenzbereich Postrock, neue Elektronik, klassische Avantgarde des Minimalismus und Geräuschforschung angesiedelt ist. Wenn etwa der Kölner Multitalent-Künstler Harald „Sack“ Ziegler für seinen Emphasolo-Beitrag „September Horn“ plötzlich das Waldhorn auspackt – er ist studierter Hornist! –, klingt das nicht nach Akademie. Sondern erinnert eher an „Gas“, das Ambient-Projekt des Kölner Techno-Gurus Wolfgang Voigt: Wagner in Pop.

Oder F.s.: Blumm, den man auch als Mitglied der Berliner Band Ström kennen kann und der gerne an versponnener Elektronik oder auch Hörspielen herumbastelt. Der bewegt sich auf seinem Stück „6 Mbiras“ mit dem Geklöppel auf der Mbira direkt auf den Pfaden Steve Reichs. Wobei der repetitive Strukturen-fluss eben nicht nur an den großen Meister des Minimalismus, sondern auch an die Grundstimmung aktueller Minimal-Techno-Produktionen erinnert. Ein interessanter Aspekt des Prinzips Split-Release ist, so erklärt Guido Moebius, dass sich trotz der unterschiedlichen Instrumente und Herangehensweisen gern ein Beitrag auf den anderen bezieht.

So ist auf der Rückseite der F.s.: Blumm-Single ein Dauerdrone-Track in der Endlosschleife der Berliner Band Miniklon zu hören, die hier eine Farfisa-Orgel zum Eiern gebracht haben. Das Gefühl von transzendenter Entrücktheit stellt sich bei beiden Stücken ein und lässt am Ende die Single zu einer Einheit zusammenwachsen.

Bisher auf Emphasolo erschienen: Miniklon/F.s. Blumm – 1,5 Farfisa/6 Mbiras; Yref/Wilberg – La Salida/Professor Stabroth macht ein Nickerchen (im Zug nach Bamberg); Sonderfeld/Harald „Sack“ Ziegler – 200 Accordéons/September Horn (Emphase Rec.: emfase@aol.com )