Wahnsinns-Panne in Fischers Wurst-Ministerium

Hinweis auf risikobelastete Wurst im Gesundheitsministerium verschlampt. Warnung kommt deshalb mindestens eine Woche zu spät. EU-Kontrollkommission rügt bayerische Testmethoden

BERLIN/KEMPTEN taz ■ Eine schwere Panne im Gesundheitsministerium hat die Warnung vor mit Risikomaterialien belasteter Wurst um mindestens eine Woche hinausgezögert. Erst am Mittwochabend warnte Gesundheitsministerin Andrea Fischer erstmals vor dem Verzehr bestimmter Wurstsorten. Doch schon eine Woche zuvor war das Ministerium auf die Problematik hingewiesen worden.

Eine von Fischer geplante Eilverordnung, die Handel und Hersteller zur Rücknahme der Produkte hätte zwingen können, wird es nicht geben. Dieser Weg sei aus juristischen Gründen versperrt, sagte gestern eine Sprecherin des Ministeriums. Inzwischen ist die Zahl der BSE-infizierten Rinder auf 5 gestiegen.

Noch am Mittwochmittag hatte Fischer Würste mit „Separatorenfleisch“ als unbedenklich bezeichnet. Ein Vorstoß von EU-Kommissar Byrne für ein Verbot bestimmter Wurstsorten am Montag hatte Fischer brüsk zurückgewiesen. Gestern kam nun heraus, dass Fischers Ministerium schon seit dem 13. Dezember von dem BSE-Verdacht bei einigen Wurstsorten informiert war. Die Bundesanstalt für Fleischforschung hatte mit Datum vom 5. Dezember eine entsprechende Warnung abgeschickt, die aber offenbar in der Bürokratie hängen geblieben ist. Das Ministerium habe eine Prüfung angeordnet, warum der Brief nicht sofort an die Leitungsebene weitergeleitet worden sei, sagte eine Sprecherin Fischers gestern. Sie schloss disziplinarische Konsequenzen nicht aus. Fischer zeigte sich „hoch verärgert“. Einen Rücktritt lehnte sie ab.

Von der Warnung des Gesundheitsministeriums betroffen sind Produkte mit Separatorenfleisch, das vom Rückenmark von Rindern abgetrennt wird. Das sind vor allem Brüh- und Kochwürste, die vor dem 1. Oktober produziert worden sind. Seitdem ist die Verwendung der Risikomaterialien verboten.

In Bayern hat sich gestern bei zwei weiteren Rindern der BSE-Verdacht bestätigt. Bei einem Rind aus dem Kreis Weilheim-Schongau, das dem Amtsarzt durch sein ungewöhnliches Verhalten aufgefallen war, wurde erstmals in Deutschland eine offene BSE-Krankheit festgestellt. Es war schon am 2. November krank geschlachtet worden. Erst sieben Wochen später wurde der BSE-Verdacht bekannt. Die bayerische SPD verlangte gestern wegen der „menschenverachtenden“ Schlamperei den Rücktritt von Gesundheitsministerin Stamm (CSU). Milchbauern erstatteten Strafanzeige gegen Stamms Ministerium und das Landwirtschaftsministerium.

Nach Informationen der taz deutet sich für die bayerische Landwirtschaftspolitik ein Desaster an. Danach will die EU-Kommission in Kürze einen Bericht über unzureichende Tests beim Landesuntersuchungsamt Südbayern vorlegen. Daraus soll hervorgehen, dass das Schongauer Rind kein Einzelfall war. Eine ganze Reihe neurologisch auffälliger Rinderhirne sei den Erkenntnissen der EU-Kontrollkommission für das Veterinärwesen in Dublin zu Folge nicht auf die richtige Weise oder gar nicht untersucht worden. Ende September hätten zwei Kontrolleure in Bayern schwere Mängel festgestellt. Es sei mit veralteten Methoden und überholten Tests gearbeitet worden.

Dies könnte zur Folge haben, dass Bayern die seit Ende 1998 aufgrund von EU-Vorgaben aufbewahrten Gehirnproben mit negativem Befund noch einmal auf BSE nachuntersuchen müsste. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass bereits in der Vergangenheit ein Rind in Bayern an BSE erkrankt ist.

Österreich hat gestern ein Einfuhrverbot für deutsches Rindfleisch verhängt. Damit will man ein „Überschwappen“ der BSE-Krise verhindern.

KLH/KLAUS WITTMANN

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