Von leichter Hand

■ Craig Davids bot smoothen Beischlaf-Pop im CCH

Das Licht geht aus im Saal 2 des Congress-Centrums. Erwartungsvolle Blicke richten sich auf die Bühne, auf den großen weißen Vorhang, hinter dem sich der Wunder-Knabe der britischen R'n'B-Szene verbirgt. Zu verheißungsvoll ist die Szenerie: der rare, weil einzige Deutschland-Gig, zugleich der Tournee-Abschluss und im Publikum das Gefühl, gleich eine ganz hippe Neuentdeckung der Popwelt zu sehen. Ein Schattenbild genügt, um all die Vorstellungen einzulösen. Überlebensgroß lässt ein Strahler die Umrisse des Maestros durch den Stoff fallen und der Saal kreischt.

Craig David kommt nicht in Gestalt stimmbrüchiger Boygroup-Aspiranten daher, sondern als 19-Jähriger, der mit seiner Mischung aus smartem Grinsen und einem unverschämten Händchen für soulige Chart-Hits derzeit die – zumindest britische – Musikpresse ganz kirre macht. Kurz und überaus erfolgreich verlief seine Karriere. Sein Ziehvater Mark Hill von den DJ-Produzenten Artful Dodger lockte den damals noch 18-Jährigen aus Southhampton vors Mikrofon, spielte mit ihm den Dancefloor-Erfolg „Rewind“ ein. Und aus einem Radio-DJ wurde innerhalb weniger Monate der preisüberschüttete Popstar Craig David. Der Adelsschlag kam mit einer banalen Notiz, die ihm in seine Radio-Sendung gereicht wurde: „Craig, lieben Dein 'Walking Away'. Check 'Walk On' auf unserer neuen CD. Vielleicht können Du und Deine Leute einen Remix machen. Es hat das falsche Tempo, aber den richtigen Soul – wir sind deine Fans. Bono.“

Nicht nur im Opener, „Time to Party“, sondern in all seinen Songs geht es ums Feiern – und ums Mit-Mädchen-ausgehen und kleine Bettgeschichten: der Kosmos eines Craig David aus Schampus und Seidenbettwäsche. Mit dementsprechend vergnügtem Blick stolziert und hüpft er am Bühnenrand entlang wie ein kleiner, verspielter Königstiger, schaut kess in seine Beute, das Publikum, das jedes Grinsen oder Popo-Wackeln mit viel Geschrei quittiert. „Follow me to the bedroom“, lädt er ein. Selten wurden in der gediegenen Atmosphäre des Congress-Centrums so viele Mädchen blass an den Rand getragen.

Irgendwann beginnt man sich zu fragen: Was tut dieser Knabe dort so Außergewöhnliches? Seine Stimme kann es nicht sein, sie ist nett, aber nicht groß. Seine Musik auch nicht, die ist solide, aber nicht revolutionär. Doch vielleicht macht sich seine Erfahrung als Londoner DJ bezahlt: Mit ganz leichter Hand mixt er aus längst Bekanntem eine unglaublich stimmige Melange zusammen.

Soulige Töne geraten ihm nicht so tranig wie R. Kelly, die HipHop-Phrasen haben nicht das prollige eines Sisqo. Und im Gegensatz zum R'n'B-Gott D'Angelo geht seine Musik nicht nur in die Lenden, sondern auch in die Füße. So feiert das Publikum zwischen gutgelaunten Tanzwütigen und den bemüht Coolen der Goldkettchen-Fraktion seinen Beischlaf-Pop, und es tanzt und springt und wiegt die Hüften. Kleine Cover-Versionen von Santana oder R. Kelly spielt Craig David oft nur kurz an. Entsprechend ausgedehnt werden die Chart-Hits wie „7 Days“. Die Band erhöht das Tempo, Craig beginnt mit seinen Songs zu spielen, tobt sich auf dem Rücken seiner souveränen, straighten Musiker aus. Doch alles, was sich über sein bisher einziges Album Born To Do It sagen lässt, trifft auch den Auftritt zu: etwas eintönig bei übermäßigem Hören, dabei jedoch so smart, dass man sich dem Reiz kaum entziehen kann. Etwa wenn zum Ende „Once in a Lifetime“ und „Walking Away“ ineinander übergehen, geschmeidig illuminiert in blau und rosa.

„God bless your Christmas“, spricht er, der 19-jährige, und entschwindet. Und auch wenn Craig David nicht gerade das Rad neu erfunden hat, so zeigte er doch, wie perfekt Entertainment klingen und wie gut Pop aussehen kann.

Volker Peschel