Die Fangärmchen der Krake

Justiz- und Innenbehörde legen Statistik zur Organisierten Kriminalität vor: Großes Dunkelfeld Schutzgelderpressung  ■ Von Kai von Appen

Hamburg ist und bleibt als Wirtschaftsmetropole mit offenem See- und Freihafen und dem Rotlichtmilieu in St. Pauli und St. Georg eine Hochburg der Organisierten Kriminaltät – im Polizeijargon kurz „OK“ genannt. Das räumten gestern SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage und SPD-Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit bei der Vorlage des gemeinsamen OK-Berichts von Justiz und Polizei ein. „Wo Waren-, Kapital- und Informationsströme zusammensfließen, ist ein gesuchtes Terrain für Organisierte Kriminalität“, sagt Peschel-Gutzeit. Dennoch wird die Stadt laut Landeskriminalamtschef Gerhard Müller nicht von einer OK-Krake überzogen. Müller: „Es gibt kleine Kraken für einige Bereiche.“

Es ist die erste Statistik beider Strafverfolgungsbehörden, die sich speziell dem brisanten Thema „OK“ widmet. Einem Bereich, wo Schwerstverbrecher und Weißkragenkriminielle oft Hand in Hand arbeiten und die Dunkelziffer wegen internationaler Strukturen und Netzwerke hoch ist. Werden die klassische OK-Wirtschaftsdelikte (Geldwäsche, betrügerische Warentermingeschäfte) in Hamburg von einem Dezernat bearbeitet, sind die Grenzen in den Bereichen Frauenhandel, Prostitution, Rauschgiftschmuggel oder Schleuserkriminalität oft fließend und daher verschiedene Fachabteilungen involviert – was die Ermittlungen nicht einfacher macht.

Trotz der rechtlichen Möglichkeit, verdeckte Ermittlern einzusetzen, Telefon anzuzapfen sowie bei Zeugen von Kronzeugenregelungen Gebrauch zu machen, tun sich die FahnderInnen im OK-Bereich schwer. „Die Verfahren sind komplex und aufwendig“, so Peschel-Gutzeit. „Es gibt oft erhebliche Beweisnot, denn Schleuserorganisationen befinden sich oft im Ausland.“

Oder die Methoden ändern sich. So werden Warentermingeschäfte mittlerweile auf high-tech-Basis im Ausland abgewickelt: Briefkastenfirmen, weltweite Rufumleitungen, modernste Kommunikationstechnik, Geld-Transfer auf Konten von Off-Shore-Firmen – die ErmittlerInnen kommen kaum nach. Nur eines ist geblieben: Massive Gewalt gegen untergeordnete Mittäter zur Disziplinierung.

Aber auch bei der Bekämpfung heimischer Schutzgelderpresser haben die Ermittler große Probleme: „Schutzerpressung ist fast nicht ermittelbar“, sagt Oberstaatsanwalt Martin Köhnke, „ich bin aber überzeugt, dass sie auch in Hamburg stattfindet.“ Da es zu derartige Taten oft unter Landesleuten kommt, werde lieber gezahlt als Repressalien in Kauf genommen. Köhnke räumt ein: „Auch wenn ein Opfer in Deutschland geschützt wird – was wir nicht können, ist, im Ausland lebende Familienangehörige zu schützen.“

Peschel-Gutzeit gibt sich trotzdem alledem optimistisch. Denn bei den 76 Verfahren, wo es dann zum Prozess gekommen ist, lag die Verurteilungsquote bei 100 Prozent: „Wir haben alle diese Herren in unseren Strafvollzugsanstalten sitzen.“