Nicht nur zur Weihnachtszeit

Soziale Einrichtungen suchen händeringend Ehrenamtliche. Die UNO will mit dem Ausrufen des „Internationalen Jahres der Freiwilligen“ 2001 den Stellenwert des Ehrenamtes erhöhen. Berliner Beitrag ist noch unklar

Alle Jahre wieder verspüren zur Weihnachtszeit viele Menschen das Bedürfnis, Gutes zu tun. Dann bekommen Einrichtungen für Obdachlose wie die Bahnhofsmission so viele Anfragen von Freiwilligen, die Suppe ausschenken oder Geschenke verteilen wollen, dass längst nicht alle berücksichtigt werden können.

„Heiligabend ist ein Brennpunkt“, weiß die Sprecherin der Stadtmission, Ortrud Kubisch. Doch die eintägige Welle der Aufopferung ist „nur bedingt“ von Hilfe. Viel wichtiger sei es, mittelfristig Leute für ein ehrenamtliches Engagement zu gewinnen. Denn: „Die Kontinuität ist sehr wichtig.“

Doch ein Gutes hat die weihnachtliche Welle der Selbstlosigkeit. „Zum Teil können Leute für länger rekrutiert werden“, so Kubisch. Ohne die Ehrenamtlichen könnte die Stadtmission mit ihren vielen Angeboten für Hilfsbedürftige zumachen. Neben knapp 500 Hauptamtlichen kümmert sich die gleiche Anzahl von Menschen auf freiwilliger Basis um Arme, Kranke oder Alte. „Wir könnten aber mehr sein, um mehr zu machen.“

Großveranstaltungen in Berlin könnten ohne die knapp 3.000 Freiwilligen des Berliner Landesverbandes des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), 2.000 davon im Sanitätsbereich, kaum über die Bühne gehen.

Wenn es zu Terminen wie Silvester zu Engpässen kommt, weil die Freiwilligen selber feiern wollen, kann nach Angaben von Pressesprecher Dieter Hauptmann zwar auf die Unterstützung anderer Bundesländer zurückgegriffen werden, doch: „Bei Einsätzen der unterschiedlichsten Art sehen wir viele altbekannte Gesichter.“ Werbung machte das Berliner DRK bis vor kurzem über eine „Freiwilligenbörse“ samt Cybercafé. Wegen „Sanierungsproblemen“ musste die Einrichtung jedoch geschlossen werden. Hauptmann hofft, in wenigen Monaten die Arbeit der Börse wieder aufnehmen zu können. Denn: „Das generelle Interesse am Ehrenamt ist nicht sehr ausgeprägt.“

Zu mehr gesellschaftlicher Anerkennung will die UNO dem Ehrenamt im kommenden Jahr verhelfen – mit dem Ausrufen eines „Internationalen Jahres der Freiwilligen“. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, die mit 275.000 Mark jährlich eine „Freiwilligen-Agentur“ fördert, hatte zwar angeregt, dies übergreifend zu thematisieren, doch bisher ist unklar, was in Berlin passieren wird.

So überrascht der Kommentar des Sprechers des Berliner Landesverbandes der Volkssolidarität, Mario Heidler, zum Internationalen Freiwilligen-Jahr wenig: „Bei unseren Aktiven wird das belächelt.“ In Berlin arbeiten zwar für die Volkssolidarität 4.000 ehrenamtliche Helfer in fast 300 Ortsgruppen. Doch Heidler beklagt eine „Überalterung“ unter den Aktiven. Zu DDR-Zeiten sei es leichter gewesen, Freiwillige zu gewinnen: Jetzt werde es immer schwieriger. Deshalb lautet „das erklärte Ziel“ der Volkssolidarität: „junge Leute kriegen“.

B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA

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