Meeresleuchten statt Kerzen

■ Wer Kapitän Ahab nicht nur im Fernsehen oder auf dem Buchpapier erleben möchte, sollte sich das Deutsche Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven zu Gemüte führen

Wer keine Lust hat, sich zwischen den Jahren zum 15. Mal „Moby Dick“ im Fernsehen anzuschauen, der sollte mal beim Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven vorbeischauen. Gleich links am Fenster des neuen Erweiterungsbaus liegt eine gebrauchsfertige Walfangschaluppe aus Nantucket. Die Riefen im Belegpfosten hier sind echt, sie stammen vom Zerren harpunierter Wale an der Fangleine. Quiquegs Harpunen aus bestem in Blut gehärtetem Stahl stehen nur ein paar Meter weiter rechts. Über den Köpfen der Besucher aber schwebt das 18 Meter lange Skelett eines weißen Pottwals. Ein Blick auf die Furcht erregenden Zahnreihen des riesigen Unterkiefers räumt letzte Zweifel an den Wahrheitsgehalt der Geschichte um den holzbeinigen Kapitän Ahab aus. Der Bildhauer Stephan Balkenhol mag sich so zu dem mächtigen „Seemannsarm“ inspiriert haben lassen.

Stilecht tätowiert er eine nackte Schönheit ins Eichenholz. Jetzt reicht die Skulptur vor dem Museumseingang allen Besuchern artig die hölzerne Hand. Eine Einladung ins Reich der Geschichte und Geschichten.

Schon Mai dieses Jahres wurde der neue Erweiterungsbau des Berliners Dietrich Bangert eröffnet. In fünfjähriger Bauzeit entstand eine beeindruckend klare Architektur, die allein zu besichtigen sich schon lohnt. Harmonisch fügt sich der Neubau an das seit 1975 bestehenden Hauptgebäude von Scharoun, bleibt aber erkennbar jüngeren Datums.

Auf den nun zusätzlichen 2500 Quadratmetern lichtdurchfluteter Ausstellungsfläche haben die Macher des Museums sich einmal mehr schwer ins Zeug gelegt. Ganze Themenbereiche wie Polar- und Meeresforschung, Bootsbau, Walfang, Gezeitenforschung und Hochseefischerei sind neu hinzugekommen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es gibt viel Neues zu sehen und viel Altes zu entdecken.

Der ganze Stolz des Museums, die Hanse Kogge von 1380, ist nach 20-jährigen Schlaf in einer Polyethylenglykolbrühe endlich aus dem Aquarium aufgetaucht und ausgestellt.

Ihre Ausgrabung beim Bau des Neustädter Hafens stellte 1962 eine kleine Sensation dar. Einen solchen Fund hatte es bis dato noch nicht gegeben, und die Experten mussten ganz neue Verfahren entwickeln. Die Erkenntnisse die seither auf dem Gebiet der Konservierung archeologischer Hölzer gewonnen wurden, brachten der Einrichtung weltweite Beachtung und fachliche Anerkennung als Forschungsinstitut.

Auch wer am Heiligabend eine Märklin Eisenbahn unter dem Tannenbaum schmerzlich vermisst hat, aufgepasst! Man kann sich im Deutschen Schifffahrtsmuseum mit den ferngesteuerten Modellschiffen des „Miniports“ trösten. An der überdimensionalen Badewanne dürfen nicht nur minderjährige Nachwuchskapitäne schon mal ihr Steuerpatent erwerben, fachliche Anleitung inklusive. Selbst Franz Josef Strauß und sogar Queen Elisabeth haben hier schon selbstvergessen mit Steuerrad und Gashebel gespielt und sich so Erholung vom anstrengenden Geschäft der Staatsführung verschafft.

Etwas lebensechter ist die Schiffsbrücke eines Frachters aus den 60er Jahren. Vom Fahrstand aus bietet ihr Panoramafenster direkten Blick auf die Weser und den Schiffsverkehr. Das Radar zeigt die Umgebung des Standortes an. So lassen sich auch die Schiffsbewegungen im Hafen verfolgen.

Fühlen Sie sich wie ein Kapitän auf großer Fahrt! Regelmäßig demonstriert hier ein ehemaliger Funker das Morsealphabet. Fast vergessene Kommunikationstechnik aus der Zeit vor Erfindung von SMS. Das Museum in Bremerhaven erfreut sich guter Kontakte zur maritimen Industrie und einer vielfältigen Mitarbeit ehemaliger Seeleute, die mit ihren Erinnerungen und fachlichen Wissen einen lebendigen Beitrag zur Erforschung deutscher Seefahrtsgeschichte und deren Alltagskultur leisten. Einige Kapitäne treffen an Stammtischen und in verschiedenen Arbeitskreisen zusammen. Echte Seebären, wahres Seemannsgarn.

In Bremerhaven gibt es das allemal. Die Ergebnisse werden zum Teil selbst herausgegeben, und sind nun im Museumsshop erhältlich. Natürlich sind Expeditionsberichte von Grönlandfahrten bei schwerer See sind wie geschaffen um eingeklemmt zwischen Sofa und Wolldecke lange Winterabende zu gestalten. Grog nicht vergessen!

Olaf Liebert

Das Deutsche Schifffahrtsmuseum ist zwischen Weihnachten und Neujahr vom 26.12 bis 30.12. täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet!