Nahöstliche Gerüchte

Gestern wurden Details des US-Vermittlungsvorschlages bekannt. Doch die israelische und die palästinensische Seite halten sich vorerst noch bedeckt

JERUSALEM taz ■ Es kam, wie nicht anders zu erwarten: Einen Tag vor dem geplanten Treffen von Ministerpräsident Ehud Barak und Palästinenserchef Jassir Arafat mit Präsident Hosni Mubarak im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich, meldeten die israelische und die palästinensische Seite gegenüber den Vermittlungsvorschlägen des noch amtierenden US-Präsidenten Bill Clinton eine Reihe von Vorbehalten an. Unterdessen veröffentlichte die in Ramallah erscheinende Tageszeitung Al-Ayam, die als Organ der Palästinenserverwaltung gilt, gestern zahlreiche Details der amerikanischen Vorschläge, so die Enthüllung, dass Israel das jüdische Viertel von Hebron und die jüdische Siedlung Kiriat Arba, einen Vorort von Hebron, für zwanzig Jahre pachten soll. Die 400 Siedler im Herzen Hebrons und die rund 5.000 Kiriat-Arba-Siedler gelten als besonders fanatisch und zu keinem Rückzugskompromiss bereit.

Im israelischen Finanzministerium begannen gestern Beratungen über mögliche Entschädigungsangebote für rund 55.000 Siedler in 60 isolierten Siedlungen, die im Rahmen des angestrebten Abkommens evakuiert werden müssten. Rechtsgerichtete Gruppen kündigten indes massive Protestdemonstrationen gegen das geplante Abkommen an. Siedlervertreter versicherten, sie seien eher „zu sterben bereit“ als zur Evakuierung aus ihren Häusern.

Nach dem Bericht in Al-Ayam umfassen die drei Siedlungsblöcke, die Israel östlich der bisherigen grünen Linie annektieren will, fünf Prozent des Westufer-Territoriums, die jüdischen Vororte von Jerusalem, die Israel nach dem Sechstagekrieg von 1967 in ehemals jordanischem Gebiet errichtete, ein weiteres Prozent, und die jüdischen Hebronenklaven drei Prozent. Dafür will Israel den Palästinensern ein Gebiet von rund drei Prozent im Negev neben dem Gazastreifen zur Verfügung stellen.

In Jerusalem schlagen die Amerikaner Berichten der Al-Ayam zufolge palästinensische Souveränität über das Tempelbergplateau mit der Al-Aksa-Moschee vor, während Israel volle Hoheit über die Klagemauer behalten soll. In einem Korridor im Jordantal sollen israelische Soldaten weitere drei bis sechs Jahre präsent bleiben und sowohl drei Frühwarnstationen als auch die Verkehrsadern und die beiden Grenzübergänge nach Jordanien überwachen. Danach sollen internationale Kräfte die Kontrolle übernehmen.

Eine 15 Kilometer lange Straße in Richtung Totes Meer, die Jerusalem mit der zu annektierenden Siedlerstadt Maaleh Edumim verbindet, soll ebenfalls bei Israel bleiben, obwohl sie das Westufer in zwei Teile zerschneidet. Alle jüdischen Gazasiedlungen sollen geräumt werden. Zur Lösung des Flüchtlingsproblems schlagen die Amerikaner eine finanzielle Entschädigung oder die Aufnahme im zukünftigen Palästinastaat vor, nicht jedoch ein Rückkehrrecht in das heutige israelische Staatsgebiet. Im Amt des Ministerpräsidenten bezeichnete man die Al-Ayam-Veröffentlichungen lapidar als „ungenaue Spekulationen“.

ANNE PONGER