Favorit strauchelt über sein Vermögen

Thailands aussichtsreichstem Kandidaten für den Posten des Premiers droht ein fünfjähriges Verbot politischer Ämter, doch erst nach der Wahl

aus Bangkok JUTTA LIETSCH

Thailands Telekom-Milliardär Thaksin Shinawatra will Premierminister werden. Doch kurz vor den Wahlen am 6. Januar droht er zu stolpern: Die neue Nationale Antikorruptionskommission hat ihn am Dienstag für schuldig erklärt, einen Teil seines Vermögens verheimlicht zu haben. Falls das Verfassungsgericht den Vorwurf bestätigt, darf er fünf Jahre lang kein politisches Amt führen. Für Regierungschef Chuan Leekpai, der in Umfragen deutlich zurückliegt, wäre das wohl die einzige Chance, im Amt zu bleiben.

So kurz vor der Wahl haben die Korruptionswächter Thailand in große Verwirrung gestürzt: Denn es kann Monate dauern, bis die Verfassungsrichter über Thaksins Schicksal entscheiden. Der Chef der neuen „Thai Rak Thai“ („Thailänder für Thailand“)-Partei denkt nicht an Rücktritt. „Ich bleibe Kandidat“, verkündete Thaksin kämpferisch. Er werde auch keinen Nachfolger oder Stellvertreter für den Fall benennen, dass er tatsächlich disqualifiziert wird.

Diese Verwicklungen sind ein Lehrstück über den Stand der thailändischen Demokratie: eine moderne städtische Mittelschicht, mafiöse Provinzpolitiker und einflussreiche Militärs ringen um die Macht, kitisch beobachtet von einer weit gehend freien Presse und einer bunten Bewegung von Bürgergruppen.

Die Affäre geht auf das Jahr 1997 zurück, als eine dramatische Finanzkrise das Land erschütterte. Entnervt von Korruption und Vetternwirtschaft setzten Reformer eine neue Verfassung durch, due Regierungsmitglieder verpflichtet, ihre Vermögen in allen Einzelheiten offenzulegen. Doch Thaksin, der 1997 kurzfristig Vizepremier war, versäumte, Beteiligungen an 17 Firmen anzugeben. Außerdem hatte er mehren Hausangestellten Unternehmensanteile von über 30 Millionen Mark überschrieben, deren Dividenden auf Konten seiner Frau landeten.

Als die Sache aufflog, gab Thaksin die Schuld zuerst seiner Frau und Geschäftspartnerin Pojamarn, dann ihrer Sekretärin. Die habe schlicht vergessen, die Anteile anzugeben, behauptete er. Das Versehen sei auch kaum der Rede wert, beteuerte er. Schließlich mache die Summe nur 2,5 Prozent seines Vermögens aus.

Neben Thaksins „Thai Rak Thai“-Partei und Chuans „Demokratischer Partei“ stellen sich noch über 50 andere Gruppen zur Wahl. Die meisten unterscheiden sich kaum programmatisch und fungieren als reine Wahlmaschinen, deren Kandidaten sich um einflussreiche Politiker und Geldgeber scharen. Der reiche Thaksin zog nicht nur junge Abgeordnete aus anderen Gruppierungen zu sich herüber, sondern auch traditionelle Provinzgrößen.

Thaksin profitiert vor allem davon, dass er nicht zur gegenwärtigen Regierung gehört, die Thailand aus der schweren Finanzkrise führen musste. Mit harten Sparprogrammen des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben sich Chuan und sein Finanzminister Tarrin viele Sympathien verscherzt. Thaksin greift ein verbreitetes Gefühl auf, wenn er der Regierung vorwirft, sich zu stark dem IWF gebeugt zu haben.

Zwar hatte Thaksin, der seine Karriere als Polizeioffizier begann und später sein Geld durch Satelliten-Geschäfte und ein Telefon-Monopol machte, bei früheren Zwischenspielen in der Politik keine Erfolge. Aber das trübt sein Selbstbewusstsein nicht. Dank seiner medienbewussten Berater sehen viele Thais in ihm heute einen Hoffnungsträger. Der erfolgreiche Unternehmer hat angekündigt, das Land „wie einen Konzern zu führen“. Seine Monopolgeschäfte hindern ihn auch nicht daran, öffentlich von der großen Bedeutung des Wettbewerbs kleiner und mittlerer Betriebe zu schwärmen.

Wahlentscheidend ist vor allem die arme Landbevölkerung. Die Erlöse für Reis und andere Agrarprodukte sind niedrig, Dünger und Pestizide teuer. Viele Bauern stehen bei Banken und Geldverleihern in der Kreide. Thaksin verspricht ein dreijähriges Schuldenmoratorium. Für alle Kandidaten ist die Versuchung groß, die Wahl mit Geldgeschenken zu beeinflussen.