Stumpfe Axt

■ Standort Hamburg überlebte ersten autofreien Tag am 22. September

Die Stadt hat es überlebt. Der von der Europäischen Kommission ausgerufenen europaweite autofreie Tag, in Paris oder Mailand, Madrid oder Brüssel längst ein Erfolgsmodell, fand erstmals auch in Hamburg statt. Und der AutoFreiTag trieb die hansestädtische Wirtschaft nicht in den Ruin; die vermeintliche Axt an den Wurzeln des Standorts, welche die Vier von der Ausfallstraße – Handelskammer, ADAC, CDU und Bild-„Zeitung“ – befürchtet hatten, blieb stumpf. Am 22. September bewiesen die Bleifüße dieser Stadt, dass sie weder umdenken wollen noch können. Sie fuhren unverdrossen weiter ihre Karren durch den Dreck, moserten über Benzinpreistreiberei und Ökosteuer und verloren damit den letzten Anspruch, ernst genommen werden zu müssen.

Die etwa 40 autofreien Stellen an jenem Freitag konzentrierten sich vor Schulen und Kindergärten sowie in Tempo-30-Zonen wie der Bellealliancestraße in Eimsbüttel (Foto: Andreas Dittmer). Die ein Stückchen Straße stundenweise für sich als Lebensraum eroberten, setzten bestenfalls ein Signal. Bezeichnenderweise waren es vor allem Jugendliche und Kinder sowie diejenigen, die sich um sie und ihre Zukunft kümmern: Lehrer, Eltern, Erzieher. Ihnen hat es wohlgetan, aber niemandem wehe.

Und das war Vorsatz. Empört hatte die SPD das Ansinnen ihres grünen Regierungspartners zurückgewiesen, auch Hauptstraßen für Autos zu sperren. Pädagogischen Zwang mache sie nicht mit, erklärte jene SPD, die sonst noch jedem Sachzwang eilfertigst nachgekommen ist. Denn nichts fürchtet die sozialdemokratische Seele so sehr wie den Zorn automobilen Wahlvolkes. Weshalb im nächsten Jahr die Wiederholungsgefahr gering ist. Dann findet der autofreie Tag in halb Europa statt, aber nicht in Hamburg. Denn der 22. September ist ein Sonnabend: der Tag vor der Bürgerschaftswahl. Sven-Michael Veit