Neonazis offensiv wie noch nie

■ So viele Aufmärsche und Aktivitäten von Rechtsradikalen wie seit Jahren nicht

Die „Freien Nationalisten“ um die Hamburger Neonaziführer Christian Worch und Thomas Wulff haben ihren Kampf um die Straße im Norden weiter intensiviert: Aufmärsche über Aufmärsche, Anschläge auf Einrichtungen und selbst Morddrohungen gegen Antifaschisten sind zu verzeichnen.

Während die rechte Szene durch die Verbote des „Hamburger Sturm“ und des Rechtsrocknetzwerks „Blood & Honour“ im August zwei Dämpfer einstecken musste, konnte sie im Zusammenhang mit dem Neonazi-Treff „Club 88“ in Neumünster richterliche Erfolge verbuchen. Dennoch waren ihre Aktionen zuletzt oft Flopps, da sich immer mehr Menschen unter dem Motto „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ ihnen in den Weg stellen.

Während im Vorjahr die Hamburger Innenbehörde Rechtsradikale generell mit dem Hinweis „Wir schützen nicht die Meinung, sondern das Demonstrationsrecht“ marschieren ließ, verbot die Polizei aufgrund des politischen Drucks im Juni erstmals eine Demo vor der Roten Flora im Schanzenviertel. Unter Auflagen durften die Fa-schisten nur in Hamm auftreten. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgerichts (BVG) zu Ostern gegen das Votum der Lüneburger Oberverwaltungsrichter einen Marsch von Worch & Co. im Nordheide-Städtchen Tostedt erlaubt hatte. Als Folge dieses höchsten Richterspruchs werden seither letztlich Naziaktionen – zumindest als stationäre Kundgebungen oder mit Auflagen – zugelassen.

So konnten die Rechten vor dem Springer-Verlag und vor der Mopo gegen die „Lügen der Presse“ wettern oder der deutschen Soldaten am Dammtor-Kriegsklotz gedenken. Doch nicht ohne Proteste: In Altona mussten im Sommer 100 Neonazis nach 150 Metern wegen des breiten Widerstands im Viertels umkehren.

Auch in Neumünster wurde in der Auseinandersetzung um den „Club 88“ von der Polizei ein Marsch abgebrochen, weil sich den Nazis zu viele Menschen entgegegenstellten. Dennoch: Mit dem Versuch, den Treff nach jahrelanger Duldung nun plötzlich per Verordnung zu schließen, kamen die Stadtväter vor Gericht nicht durch.

Fur eine neue Qualität sorgten die Anschläge auf die Elmshorner SPD-Bürgermeisterin Brigitte Fronzek und das dortige IG Metall-Büro sowie die Morddrohungen gegen Gewerkschaftschef Uwe Zabel. Ihre „Erfolge“ im permanenten Straßenkampf bejubelten die Faschos gern in ihren Magazinen, gerade wenn es – wie in Billstedt, Tostedt und Lüneburg gelang – hunderte Skins an der Polizei vorbei zu Nazirock-Konzerten zu dirigieren.

Schon heute denkt Chefideologe Worch über die Folgen eines bundesweiten NPD-Verbotes nach: Zwar war die NPD für den Vater des Strukturmodells der „Freien Kameradschaften“ bislang ein nützliches Vehikel, anderseits könnte ein Verbot dieser Partei einen Zulauf für seine radikalen Kräfte bewirken.

Peter Müller / Andreas Speit