Nur noch einen Punkt

■ Unbefriedigender Start, neue Spieler, Ziele und verpasste Chancen – Werders Sportdirektor Klaus Allofs über die Zukunft

Klaus Allofs ist Sportdirektor des SV Werder Bremen. Im Interview mit der taz zieht er Bilanz nach einer verkorksten Hinrunde

taz: Ein Jahr, an dessen Ende ein ermauerter Punkt in Unterhaching als Erfolg gilt, kann nicht zufrieden stellend sein, oder?

Klaus Allofs: Nein, gemessen an unserem Ziel – internationaler Wettbewerb – haben wir zu wenig Punkte geholt und zu oft unbefriedigende Spiele abgeliefert. Das Ausscheiden aus dem DFB-Europapokal kann passieren. Aber die Bundesliga-Saison gefällt uns überhaupt nicht.

Ist die Saison schon gelaufen?

Nein, wir haben 21 Punkte. Wir sind zwar einen Punkt von Abstieg entfernt, aber andererseits sind es auch nur drei Punkte bis zu einem Platz, der zumindest die Möglichkeit bieten würde, über die Teilnahme am UI-Cup ins internationale Geschäft zu kommen. Man darf nicht vergessen, dass wir nach zuletzt drei Auswärtsspielen hintereinander mit zwei Heimspielen in die Rückrunde starten. Von der Konstellation her wird es nun also günstiger. Aber wir dürfen nicht anfangen zu rechnen, sondern müssen wieder besser spielen. Am Anfang der Saison gab es ja viele Komplimente, auch wenn wir ohne Punkte nach Hause gefahren sind.

Vor der Saison waren die Ziele ja irgendwo zwischen Champions' League und UEFA-Cup angesiedelt. Was ist schief gelaufen?

Wir waren ja im Vorjahr im UEFA-Cup und hatten sogar lange an den Champions League-Plätzen geschnuppert. Aber es gibt zehn, zwölf Vereine, die alle dasselbe Ziel haben und ein Budgets mit mindestens denselben Möglichkeiten wie der SV Werder. In der Tabelle ist es ja ungeheuer eng. Wenn wir zwei Spiele gewinnen, sieht alles schon wieder ganz anders aus. Was mich beunruhigt sind Spiele wie in Rostock oder Cottbus, wo wir einfach nicht gut genug waren.

Als Werder sich für den UEFA-Cup qualifiziert hatte, wollten Sie in einer Dimension investieren, wie sie der Verein noch nicht erlebt hatte. Trotzdem kamen keine echten „Kracher“. Hat der Verein nicht genug riskiert?

Im Rahmen unserer Möglichkeiten sind wir ein gewisses Risiko eingegangen: Wir haben den erfahrenen Frank Verlaat für einen heute leider normalen Preis geholt; mit Mladen Krstajic einen Spieler in den besten Jahren; der U-21-Nationalspieler Fabian Ernst ist zu einem sehr zivilen Preis gekommen. Dann haben wir noch ein bisschen Risikokapital in die Hand genommen und das junge Talent Ivica Banovic geholt, der ebenfalls in der U-21 spielt. Das war für unsere Verhältnisse eine ganze Menge, aber im Bundesliga-Vergleich eher bescheiden. Wenn einige Clubs nur ablösefreie Spieler holen, hört sich das zwar wunderschön an, aber im Klartext heißt das, dass diese Spieler sehr, sehr viel Geld verdienen ...

... oder Handgelder kassieren ...

So was erscheint dann in keiner Statistik. Bei Dortmund hat Sunday Oliseh dasselbe gekostet wie bei uns alle vier Spieler zusammen. Im Verhältnis dazu haben wir weniger gemacht. Vielleicht wird sich das mal ändern. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir noch international kokurrenzfähig sind. Wir müssen uns realistische Ziele setzen, damit wir nicht ständig mit Enttäuschungen leben müssen.

Frank Rost hat gesagt, Werder bauche eine Generalüberholung?

Bei allem Respekt, Frank Rost trifft nicht immer den richtigen Ton. So eine Äußerung lässt eigentlich alles offen – es kann sich auf den Kader beziehen, oder auf die Einstellung oder auf die Zusammenarbeit. Fest steht: Wir brauchen keine Runderneuerung. Wir haben so viele junge Spieler mit Potenzial. Aber die Leistungsträger müssen ihre Rolle auch übernehmen. Wenn das nicht mehr passt, muss man ergänzen, vielleicht auch jemanden austauschen. Der HSV hat in den letzten drei Jahren 53 Spieler geholt. Die haben aber auch nur 21 Punkte. Es ist auch zu früh zu sagen, die Neuen sind nicht eingeschlagen. Denken Sie mal an Ailton, der hat fast ein Jahr gebraucht. Da hieß es schon Fehlgriff.

Holen Sie schon in der Winterpause Verstärkung?

Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, vielleicht. Wir sichten natürlich kontinuierlich.

Zuletzt sind die Spieler vor allem durch Unsportlichkeiten aufgefallen. Ist die Stimmung im Team nicht intakt?

Die Stimmung ist soweit intakt, wie sie das in der Situation sein kann. In dieser Phase haben Sie nirgends eine Gruppe, wo alles 100-prozentig in Ordnung ist. Wenn man nicht erfolgreich ist, heißt das, die Gruppe funktioniert nicht. Im Zusammenspiel, in der Einstellung hat die Mannschaft Defizite.

Andi Herzog hat gesagt, er habe keine Lust mehr, das momentane System zu spielen. Bahnt sich da eine Trennung an?

Das war aus der Unzufriedenheit – auch über die eigene Leistung – heraus gesagt. Wenn er sagt anderthalb Jahre, heißt das im Klartext: Die Zeit von Thomas Schaaf. Ich kann mich erinnern, dass er auch mit Felix Magath Probleme hatte. Eigentlich sagt er ja: Ich bin mit mir selbst nicht zufrieden. Ich bringe ja nur 30 Prozent. Das war sicher übertrieben.

In Wirklichkeit sind es 40 Prozent ...

Nee, das haben Sie gesagt. Aber er hat da noch eine Menge Spielraum. Aber wer stellt sich schon gern so der Kritik. Dann heißt es lieber: Ja, das ist das System. Auch wenn wir mal defensiv eingestellt sind, hat jeder seine Möglichkeiten.

Stimmt es, dass Thorsten Frings und Frank Baumann Ausstiegsklauseln in ihren Verträgen haben?

Nein, leider berichtet die Bildzeitung anders. Wir haben dementiert, aber man nimmt es uns nicht ab. Ich habe mir die Verträge nochmal angeschaut und kann Ihnen versichern, dass weder Frank Baumann noch Thorsten Frings die Möglichkeit hätten, aus ihren Verträgen herauszukommen.

Fragen: Jan Kahlcke