Briefe aus der alten Villa

■ Lernbehinderte Kinder gewinnen mit individuellen Beiträgen

Ohne das Holzschild an der Straße würde man wohl glatt an der Tobias-Schule vorbeilaufen. Das Gebäude in Oberneuland sieht so gar nicht nach einer Schule aus – kein maroder Betonklotz aus den 70er Jahren, sondern eine schöne alte Villa aus der Zeit der Jahrhundertwende. Die zweite Überraschung ist das Innere: hohe Räume, alte Deckenmalereien und die Inneneinrichtung aus unbehandeltem Holz.

Die neunte Klasse hat ihr Zimmer im ersten Stock. Die 13 SchülerInnen sind ein freundlicher Haufen, einige sehr lebhaft, andere eher still. Mit ihren Texten haben sie den ersten Preis im Wettbewerb gewonnen. Sie freuen sich über ihren ersten Platz. In ihren Texten stellen sie die Plätze vor, an denen sie sich am wohlsten fühlen. So liegt Corin am liebsten bei seiner Oma auf dem Sofa und hört Klaviermusik. Dominiks Wohlfühlplatz dagegen liegt am See, wo er über den Tag nachdenken und manchmal eine Eule beobachten kann. Jonas und Laura mögen „ihre“ Friedensgemeinden, Ronald geht gerne zum Judo. Martin fühlt sich in der Tobias-Schule sehr wohl und hebt neben seinen Lieblingsfächern den „schönen alten Park“, der zum Haus gehört, hervor. Felix schreibt, dass er sich dort wohlfühlt, wo er akzeptiert wird: „Menschen können sich dort am wohlsten fühlen, wo Mitmenschen sie anerkennen und viel Zivilcourage haben, um in Notsituationen Schwächeren zu helfen. Minderheiten sind auf die mutige Mithilfe der anderen angewiesen.“

Die Tobias-Schule nimmt Kinder mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf auf. Auf zwölf Klassenstufen verteilt besuchen 150 SchülerInnen die Schule, deren Ziel „eine heilpädagogische Beschulung auf der Grundlage der Waldorfpädagogik“ ist, so Geschäftsführer Dieter von Glahn.

Im Unterricht ist der Lehrplan zwar Lernziel, doch sind die Auflagen den SchülerInnen angepasst. Sie werden dazu angehalten, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Man merkt das schon im Gespräch: Sie hören einander gut zu und fordern sich gegenseitig zum Erzählen auf. Später erzählt Klassenlehrer Jörg Tepper von dem Schüler, der durch seine körperliche Behinderung für alles etwas mehr Zeit brauche. „Aber es ist immer ein Mitschüler da, der auf ihn wartet oder ihm hilft.“

Eigentlich war als erster Preis eine Segeljolle vorgesehen. Aber damit konnten die SchülerInnen der neunten Klasse wenig anfangen. Sie wollten lieber einen Computer. Helmut Hafner, Organisator des Wettbewerbs, erfüllte den Wunsch, indem er bei der Firma Sysgen kurzerhand eine Spende einwarb. Wie der Rechner in den Unterricht eingebunden werden kann, muss sich jetzt zeigen. Nach den Weihnachtsferien soll es in kleinen Gruppen losgehen.

Die Schule in freier Trägerschaft finanziert sich über Zuschüsse aus dem Bildungsetat, Spenden und das Schulgeld der Eltern. „Bei den Zuschüssen ist Bremen Schlusslicht im gesamten Bundesgebiet“, bedauert von Glahn. Deswegen stoße das monatliche Schulgeld mit 300 Mark bereits an die Schmerzgrenze, Spenden seien nicht planbar. Das Gehalt der Lehrer sei ohnehin um ein Drittel niedriger als das der „staatlichen“ KollegInnen.