alter kacyzne: eine untergegangene jüdische welt (II)

Der Schriftsteller, Publizist, Zeitungsherausgeber und – wie man seit diesem Bildband weiß – nicht zuletzt auch Fotograf Alter Kacyzne hat den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt. Am 7. Juli 1941 wurde er auf der Flucht vor den Nazis von ukrainischen Kollaborateuren mit Knüppeln erschlagen. Seine Frau starb im Vernichtungslager Belzec. Auch die allermeisten seiner Fotografien überstanden den Krieg nicht. Sein Fotoarchiv, seine Manuskripte sowie seine Familienpapiere wurden während der deutschen Besetzung Polens vernichtet. Und schließlich fiel auch das bevorzugte Motiv des Alter Kacyzne, das jüdische Leben im Polen der Zwanziger- und Dreißigerjahre, dem „Dritten Reich“ zum Opfer. Von den zu Kacyznes Lebzeiten 3,1 Millionen Juden in Polen entging nur eine Minderheit dem Holocaust.Aber einige hundert Fotos dieses blendenden fotografischen Chronisten überdauerten eben doch; der wunderschöne Bildband „Poyln – Eine untergegangene jüdische Welt“ (Aufbau Verlag, 162 Seiten, 78 DM) macht sie erstmals zugänglich. Und zwar hat Alter Kacyzne in den Zwanzigerjahren von der New Yorker jiddischen Tageszeitung „Forverts“ den Auftrag erhalten, das jüdische Leben in der Alten Welt zu dokumentieren. Kacyzne ging diesem im Übrigen gut bezahlten Auftrag (150 Dollar im Monat) akribisch nach, bereiste das Land, fotografierte Menschen, Land-, Straßen-, Haus- und Arbeitsszenen und schickte die Fotos in die USA, wo sie, nachdem sie damals in der Zeitung gedruckt wurden, 60 Jahre in den Archiven lagen. Kacyzne erweist sich in diesen Bildern nicht allein als Fotograf von hohen technischen Fertigkeiten, der virtuos das Licht zu setzen weiß, sondern auch als einer, der sich lange und eindringlich mit den von ihm porträtierten Menschen beschäftigt haben muss – eine so große Intimität und Nähe strahlen die Bilder aus. Eine Entdeckung! drk