Wie arbeitslose Künstler vermittelt werden

Fakire für Betriebsfeier gesucht

Wer einen Künstler braucht, kann ihn mieten. Das geht am besten über die Internetseite des Berliner Künstlerdienstes. Aus Rubriken wie „Scherenschneider“, „volkstümliche Interpreten“, „Fakire“, „Tierdarbietungen“ oder „Humoristen“ kann man sich den Künstler aussuchen, den man für seine Betriebsfeier haben will. Auch gerne mit Sonderwünschen. Bei Fotomodellen zum Beispiel können Schuhgröße und Augenfarbe festgelegt werden, und der Computer bietet einem dann zum Beispiel Renate B. an. Auf dem Foto hat sie aufmerksam ihr Kinn in die Hand gestützt, für Bademoden will sie aber nicht posieren. Das steht darunter.

Auch die anderen Sparten der Künstlerdienst-Homepage zeigen Bilder. Die Bauchredner halten ihre Puppen, ein „Peitschenknaller“ hat einen Cowboyhut auf, eine Showkapelle präsentiert sich mit dem Foto einer nackten Frau, vor der ein Mann in bunter Strumpfhose Handstand macht. Die Pyrotechnikerin Andrea Schremp fügt ihren Bildern sogar einige nachdenkliche Sätze an: Sie bedauere „das negative Image, mit welchem Feuer im Großstadtleben verbunden wird“.

Der Künstlerdienst Berlin ist dem Landesarbeitsamt angeschlossen und vermittelt derzeit 10.000 Show- und Unterhaltungskünstler. Das Geschäft boomt. Etwa 950 Künstler seien in der Region arbeitslos gemeldet, von Juli 1999 bis Juni 2000 habe man knapp 19.200 Engagements mit einem „Gagenvolumen“ von über 7,7 Millionen Mark arrangiert, sagt Ernst Brunnert, der Chef der Behörde.

Obwohl das 6 Prozent weniger Auftritte sind als im Jahr davor, wertet Brunnert die Zahl als Erfolg. Die niedrigen Vermittlungszahlen seien allein „finanziellen Problemen in der Gastronomiebranche und bei öffentlichen Arbeitgebern – insbesondere in der Sparte Rock/Pop – sowie einem wachsenden Konkurrenzdruck durch Privatagenturen vor allem im Komparsenbereich“ geschuldet. Trotzdem bestanden für Chansonsänger und -sängerinnen mit „Alt-Berliner“-Repertoire sowie A-cappella-Gruppen im Stil der 20er-Jahre „auch in diesem Jahr gute Vermittlungschancen“, sagt Brunnert in einer aktuellen Bilanz. Konzertveranstalter im Ostteil Berlins buchen vor allem Gesangsinterpreten, die in der früheren DDR beliebt waren. Und die vielen Silvester-2000-Veranstaltungen im vergangenen Jahr, so Brunnert, brachten „auch relativ unbekannten Schlager- und Stimmungssängern, nicht zuletzt wegen ihrer moderaten Gagenforderungen, dringend benötigte zusätzliche Auftritte“.

Auch „das Interesse an preiswerten Showtanzgruppen wuchs wieder deutlich“. Bauchtanz wurde nach mehrjähriger Stagnation wieder verlangt. Besonderen Zuspruch erhielten erotische Tanzshows, und für „Travestiekünstler ergaben sich nach jahrelanger Zurückhaltung wieder mehr Möglichkeiten“. Trauriges ist nur von den Puppentheatern zu vernehmen. Ihnen boten sich nur noch vereinzelt Auftrittsmöglichkeiten auf Kinderfesten: „Vereine und Gartenkolonien wichen wegen der meist zu hohen Gagenforderungen lieber auf preiswertere Kinderclowns oder Märchenerzählerinnen aus“, sagt Brunnert.

Mannequins und Fotomodelle hingegen hatten viel Arbeit. „Gebucht wurden Models für Wäschemodenschauen im Umland – ebenso wie für eine hochwertige Wäscheschau in der Sendung „Fernsehgarten“, erfährt man, und weiter: „Für einen Werbespot mit Guildo Horn wurden sechzig Fotomodelle gebucht; für einen ausgedehnten Werbefeldzug eines Lebensmitteldiscounters konnten zwanzig Modelle vermittelt werden“.

Allerdings fragt dazu „Ramona“ im Forum der Künstlerdienst-Website: „Sind auch Mollymodels noch gefragt?“ „Salvation“ antwortet resigniert: „Leider ist das Kommerzielle das Einzige, das Aufsehen erregt“. „Raven Z.“ merkt an: „Der Begriff ‚Kunst‘ ist evolutionär degeneriert. Was heißt eigentlich Künstler?“ KIRSTEN KÜPPERS