Phnom Penh stimmt für Tribunal

Das kambodschanische Parlament will frühere Führer der Roten Khmer wegen Völkermordes vor Gericht stellen. Aber nicht zu viele. Und die Regierung hat sich in einem Kompromiss mit der UNO Einflussmöglichkeiten gesichert

BERLIN taz ■ Kambodschas Unterhaus hat gestern einstimmig ein Gesetz beschlossen, das ein Völkermordtribunal gegen frühere Führer der Roten Khmer ermöglicht. Damit das Gesetz in Kraft treten kann, müssen noch der Senat, der Verfassungsrat und König Norodom Sihanouk zustimmen. Dies gilt als Formsache.

Dem jetzigen Beschluss liegt ein Kompromiss zwischen der UNO und Kambodschas Regierung vom vergangenen Juli zugrunde. Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich damals beide Seiten auf ein Tribunal in Phnom Penh geeinigt, das von internationalen und kambodschanischen Richtern und Anklägern besetzt sein soll. Die Kambodschaner haben auf allen Ebenen eine einstimmige Mehrheit, benötigen bei Entscheidungen aber die Zustimmung mindestens eines der internationalen Vertreter. Diese werden vom UN-Generalsekretär ernannt.

„Ich möchte an alle unsere Landsleute appellieren, die früher zu den Roten Khmer gehört haben, dass sie keine Angst haben brauchen, weil wir nur die hohen Führer und die direkt für den Völkermord Verantwortlichen vor Gericht stellen“, sagte der stellvertretende Parlamentspräsident Heng Samrin nach der gestrigen Abstimmung. Heng Samrin gehörte wie Ministerpräsident Hun Sen einst selbst zu den Roten Khmer, sagte sich aber von diesen los und unterstützte die vietnamesische Invasion. Diese beendete 1979 das Schreckensregime, dem etwa 1,7 Millionen Kambodschaner durch Hinrichtungen, Folter, Zwangsarbeit und Hunger zum Opfer fielen.

Unklar ist, wer genau angeklagt werden soll. Beobachter rechnen mit höchstens 30 Angeklagten. Bisher sitzen mit dem früheren Militärchef Ta Mok und dem „Duch“ genannten obersten Folterer Kaing Khek Iev überhaupt nur zwei frühere Rote-Khmer-Führer hinter Gittern. Alle anderen sind wie Pol Pot entweder bereits gestorben oder liefen wie Exaußenminister Ieng Sary, Expräsident Khieu Samphan und der frühere Chefideologe Nuon Chea zur Regierung über und leben seitdem unbehelligt. Im Dezember sagte Ministerpräsident Hun Sen, Nuon Chea und Khieu Samphan könnten problemlos vor Gericht gestellt werden, jedoch nicht Ieng Sary. Er hatte 1996 mit hunderten bewaffneten Anhängern die Seite gewechselt, die ihn noch heute schützen würden.

Laut Parlamentspräsident Prinz Norodom Ranariddh wird es noch mindestens ein bis zwei Jahre bis zum Beginn des Tribunals dauern. SVEN HANSEN