Party mit der Zuckerpuppe

■ „Ich möchte so gern nochmal ans Meer“ – Wünsche alter oder kranker Menschen können Angehörige nicht immer erfüllen / Das macht fortan Pflegerin Ute Seyfried

Gutes tun und dafür bezahlt werden – ein Traumjob? Ute Seyfried tut etwas, das ganz bestimmt nicht jeder machen möchte: Sie erfüllt alten Menschen Wünsche, manchmal auch die letzten. „Ich möchte so gern nochmal“ heißt das Angebot der gelernten Altenpflegerin, mit dem sie seit August Werbung macht. Damit trifft sie offenbar Nerven. „Ich möchte so gern nochmal nach Rom, Vanilleeis essen, ins Theater gehen.“ Wünsche wie diese, die Oma oder Opa vor sich hin nuscheln und damit das Gewissen der lieben Verwandten treffen, Wünsche wie diese also sind es, die Ute Seyfried erfüllt. Für rund 50 Mark die Stunde, medizinische Betreuung inklusive.

Seit August wirbt Ute Seyfried für sich. Bisher ist sie ohne Konkurrenz. Offenbar ist vorher niemand auf die Idee gekommen, einen solchen Dienst explizit anzubieten. Beim Gewerbeamt erklärte man ihr: „Das wird einschlagen wie eine Bombe.“ Noch ist die amtliche Prognose nicht wahr geworden; Ute Seyfried hat gut zu tun, aber gänzlich ausgelastet ist sie nicht. Aber die Reaktionen waren bisher nicht nur positiv: „Ich bin vor vielen Seiten gewarnt worden“, berichtet sie. Dass sie damit anderen Konkurrenz mache, beispielsweise den Taxifahrern, wenn sie alte Menschen durch die Welt chauffiere. Bisher, sagt Seyfried, sei ihr niemand in die Quere gekommen. Und bisher, sagt sie außerdem, sei sie so begeistert von ihrer Idee, dass sie Zweifel nicht aufkommen lässt.

Ans Meer fahren, vielleicht sogar eine Reise ins alte Schlesien begleiten oder ein längst unmodern gewordenes Gericht kochen, die eigene Biographie aufschreiben, Häkeln, Sticken, Klöppeln – Dinge wie diese gehören zu Seyfrieds Programm. Oder Party machen. Erst wird Tee getrunken, schildert die 43-Jährige ein solches Ereignis, dann packt sie ihre Schlagerkassetten aus, gibt den alten Leutchen ein Blatt mit dem vergrößerten Text und dann wird gesungen. So laut es geht. „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ oder das Lied von der „Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe“. Hildegard Knef, Conny Froboess, Peter Krauss. Ihr Schönstes sei es gewesen, erzählt Seyfried, als die Tochter eines Mannes zu ihr sagte, so habe sie ihren Vater noch nie erlebt. So locker und fröhlich.

Was Seyfried schafft, ist für Angehörige oft nicht möglich. Viele verkraften es kaum mitzuerleben, dass Eltern oder Großeltern klapprig werden und Hilfe brauchen. Oft geht mit den jetzt groß gewordenen Kindern die Geduld durch. Simples Beispiel: Mensch, ärgere dich nicht. „Die Alten schummeln“, hat Ute Seyfried gelernt, und spielten auch mal in die falsche Richtung. „Mir ist das doch egal, Hauptsache, es macht Spaß“, ist die Haltung der Profi-Betreuerin – eine liebevolle Coolness, die Angehörigen naturgemäß fehlt. Die gelernte Altenpflegerin versteht sich hingegen als Dienstleisterin: „Es ist meine Aufgabe, die Oma bei Laune zu halten.“ Kein Spaß – kein Geld.

Ute Seyfried – Mutter zweier Töchter, Hausfrau, ehrenamtlich schon lange in der Altenhilfe engagiert – kann es sich leisten, locker zu bleiben. Rund 30 Bewerbungen habe sie schon zu Hause, von Menschen, die ihre Idee gut finden und bei ihr arbeiten wollen. Aber solange sie noch nicht voll ausgelastet ist, mag sie nichts abgeben. Es gehe schließlich auch um Qualität.

Obwohl – manchmal würde sie schon gerne. „Da ist auch so ein fescher junger Mann dabei, der würde prima als Enkel durchgehen.“ Der könnte mal mit älteren Damen ins Theater gehen und den Nachwuchs zum Stolzsein abgeben. Probleme hat sie, die sich selbst als „Gesellschaftsdame mit Know-how“ bezeichnet, mit solchen Aktionen nicht. „Wie oft machen wir uns selbst was vor“, argumentiert sie, „indem wir uns vielleicht was Tolles anziehen und uns dann gleich ganz anders fühlen.“ Aber was, bitte sehr, „haben die Alten denn noch?“ sgi

Ute Seyfried ist zu erreichen unter Tel.: 56 17 41