: Ressourcen? Welche Ressourcen?
■ Bremens Nachbarstadt Oldenburg baut ihre Kulturförderung und -verwaltung zurzeit ganz kräftig um und ab. Der Reformeifer bringt das Personalkarussell in Bewegung. Der Sparzwang bedroht vor allem die freie Szene
In Oldenburg sind derzeit jede Menge Stellen in der Kultur zu besetzen. Denn auch in Bremens Nachbarstadt wird die Kulturförderung und -verwaltung reformiert. Zunächst sollte schon zum Jahreswechsel eine so genannte Fachdienstleistung das bisherige Kulturamt ersetzen. Doch der Reformeifer und die Haushaltsnotlage der Stadt haben das Personalkarussell derart in Bewegung gesetzt, dass Oberbürgermeister Jürgen Poeschel im Kulturbereich auf die Bremse getreten hat: Erst im Sommer soll die Reform umgesetzt werden. Am Oldenburger Dilemma ändert das jedoch nicht viel.
Zuerst warf die Kulturamtsleiterin Irmtraud Rippel-Manß nach sechs Jahren entnervt das Handtuch. Die neue Stellenbeschreibung „Fachdienstleitung“ klingt nicht halb so schön wie „Kultur“ und „Amt“. Nach Rippel-Manß' Abtritt schrieben die Stadtoberen die Stelle aus und kleideten das Angebot in schöne Prosa. Der oder die Neue hat den Auftrag, „möglichst viele Menschen mit neuen Entwicklungen kulturellen Denkens bekannt zu machen“, und der „wird auch durch freie Projekte und Veranstaltungen realisiert“. Hinter den schönen Worten lauert aber die harte Wahrheit des Sparzwangs. Eine Kürzungsquote von sechs Prozent müssen die VerwalterInnen und VerweserInnen von Oldenburgs öffentlichen Ausgaben erbringen. In festen Verträgen vereinbarte Zuschüsse sind von dieser Quote zurzeit nicht betroffen. So erhält das Staatstheater auch weiterhin einen kommunalen Zuschuss in Höhe von jährlich sieben Millionen Mark von der Stadt. Deshalb müssen die sechs Prozent bei den freiwilligen Leistungen und den nicht vertraglich gedeckten Zuschüssen, also in der freien Szene und bei Veranstaltungen außerhalb des Regelbetriebs erwirtschaftet werden.
Schon im gerade vergangenen Jahr war das nicht zu schaffen. Der Haushaltsansatz von knapp 21 Millionen Mark im so genannten Plan 3, zu dem Kultur, Schulen und Sport gehören, wurde zum Jahresanfang um 1,2 Millionen Mark gekürzt. Doch schon im September legte die Stadt einen Nachtragshaushalt vor. Nur 400.000 statt 1,2 Millionen Mark konnte die Stadt im Plan 3 streichen. Mehr war nicht machbar.
Im neuen Jahr gibt es neben dem Sparzwang jede Menge zusätzlicher Probleme. Durch geringere Steuereinnahmen und erhöhte Tarife bei Gehältern wird der Druck auf die NutznießerInnen freiwilliger Leistungen noch größer. Milderung versprechen sich die Verantwortlichen durch weitere neue Anforderungen an die Fachdienstleistungsstelle. Denn neben der Verwaltung aller angegliederten Kulturinstitutionen soll sie die Zusammenarbeit mit der wirtschaftsoffenen Universität und mit Sponsoren intensivieren. Schon im neuen Janssen-Museum wurde eigens eine Marketingstelle geschaffen. Jetzt soll auch das ehemalige Kulturamt stärker auf die modisch gewordene „public-private-partnership“ schielen. Doch die neue Masche hat in Oldenburg einen Haken: Der Sponsorenkuchen ist verteilt. Dass daher wohl nur noch Mangelverwaltung und wenig Gestaltungsspielraum übrig bleibt, hat Irmtraud Rippel-Manß wohl zeitig erkannt und will jetzt als selbständige Kulturmanagerin wirken.
Es passt auch nicht zur rührigen, engagierten Art der ehemaligen Kulturamtsleiterin, nur noch Minuszeichen in Formulare einzutragen. Ihre Bewerbung auf den Posten der „Fachbereichsleitung“ über der „Fachdienstleistung“ schlug fehl, den Posten bekam Christiane Cordes, Noch-Leiterin der Stadtbibliothek. Die beiden Frauen hatten Oberbürgermeister Jürgen Poeschel den Vorschlag unterbreitet, eine Doppelspitze zu bilden, in der sich die beiden unterschiedlichen Charaktere bestimmt gut ergänzt hätten. So viel Frauenpower mochte der OB aber nur in klarer Hierarchie dulden: Eine Doppelspitze lehnt er ab, da sie zu „unklaren Verantwortlichkeiten“ führe, teilte das Presseamt auf Anfrage mit. Der Oberbürgermeister selbst war zu einer persönlichen Stellungnahme nicht bereit, ließ aber über seinen Pressesprecher Jürgen Krogmann verlauten, im künftigen Fachbereich Kultur und Sport entstehe in der Tat eine schwierige Situation „mit Blick auf die Personalausstattung“. Im Klartext: Irmtraud Rippel-Manß musste ihre Überstunden abbummeln, und ihre designierte Chefin und zukünftige Fachbereichsleiterin Christiane Cordes ging erstmal bis Ende März in den Mutterschaftsurlaub.
Jetzt wird Ewald Gäßler die personifizierte Doppelspitze. Der Leiter des Stadtmuseums und des neuen „Horst-Janssen-Museums“ wird so schon allerhand zu tun haben, und da er zwar als sehr kompetent, aber nicht als bissig gilt, wird es dem scheidenden Kulturdezernenten Ekkehard Seeber wohl unter diesen Vorzeichen noch gelingen, letzte Pflöcke einzuschlagen. Der Bau des Janssen-Museums hat ein Defizit von einer Million Mark hinterlassen. Das Geld dafür muss irgendwo herkommen. Außerdem erscheinen manchen Insidern die mit 120.000 Mark pro Jahr veranschlagten Betriebskosten als viel zu niedrig kalkuliert. Und schließlich fließen die Mittel aus dem Förderverein – unter anderem zur Finanzierung der Marketingstelle – nicht so, wie sie sollen. Wenn das Haus nicht die angepeilten 300.000 Mark einspielt, ist jetzt das Feld frei, auslaufende Verträge anderswo einfach nicht zu verlängern und nichts Neues mehr anzufangen.
Auf diesem stillen Weg könnte die Masse für den Kürzungsansatz im neuen Haushalt erwirtschaftet werden, und der politische Erfolg mit dem Janssen-Museum würde nicht nachträglich beschmutzt. Leidtragende dieser Art Denkmalpflege: zum Beispiel Winfried Wrede, dessen Kinder- und Jugendtheater an der Rosenstraße als Modellprojekt mit dem „Widu Theater“ im Juni 2001 ausläuft. Das „Widu-Theater“ ist schon in ein anderes Gebäude gezogen. Wrede hat Interessenten für eine neue Kooperation gefunden, unter anderem im kommenden Staatstheaterintendanten Rainer Menniken sowie in dem Schauspieler und Regisseur Murat Yeginer. Das wäre mal eine Chance für spannende neue Formen. Doch das ganze Vorhaben wurde aber vom scheidenden Dezernenten schlicht blockiert. Keine neuen Verpflichtungen, lautet die lapidare Begründung.
Seeber ist zwar ab Februar in Pension. Doch erst nach den Kommunalwahlen im Herbst wird der Rat über die Besetzung der zweithöchsten Ebene in der neuen Verwaltungsstruktur, also die Leitung der drei Geschäftsbereiche Kultur, Schulen und Sport entscheiden. Bis dahin wird sie in der Kultur kommissarisch vom Baurat Hans-Martin Schutte übernommen, der ebenfalls im Sommer in Pension geht. Vielleicht wird Schutte die Zeit als „Super-Dezernent“ nutzen und doch noch sein Lieblingsprojekt in trockene Tücher bringen: den Umbau beziehungsweise Abbruch des Stadtbades „Berliner Platz“ zugunsten einer Spaßbadversion.
Schließlich hätte Oberbürgermeister Poeschel gerne eineN KulturbeauftragteN. Den will er einsetzen „um der vielfältigen Kulturszene in Oldenburg nach dem Weggang des Kulturdezernenten hinreichend gerecht zu werden“, sprich: um immer gute Worte zu finden. Denn die Funktion dieses guten Geistes bestehe „in erster Linie“ in Beratung nach außen und innen. Er oder sie „hat keine Weisungsbefugnis und Ressourcenverantwortung“. Welche Ressourcen?
Marijke Gerwin
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