Filmstarts à la carte
: Gehobene Dekadenz

■ Albert Lewin zählte inmitten der oft ungehobelten Mogule von Hollywood zu den Ausnahmeerscheinungen: klug und gebildet, mit Interesse an europäischer Kultur und einer nicht zu leugnenden Vorliebe für Dekadenz und Verfall. Eigentlich war Lewin Produzent bei MGM - sein Freund Jean Renoir wusste zu berichten, dass Lewin in Verwaltungssitzungen immer sein Hörgerät abschaltete und sich hinter ein freundliches Lächeln flüchtete, das seine Gesprächspartner für Zustimmung zu ihren Ansichten hielten. Für Renoir gehörte er zu den wenigen Leuten, die sich von Hollywood nicht „einfangen“ ließen. Gelegentlich führte Lewin auch Regie und frönte dabei unverhohlen eigenen Interessen: Nach einem Roman von W. Somerset Maugham schuf er einen Film über den Maler Paul Gauguin (“The Moon and Sixpence“), und er belebte in derilierendem Technicolor den Mythos vom Fliegenden Holländer neu (“Pandora and the Flying Dutchman“). 1945 verfilmte Lewin Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ - eine zwangsläufig dialogreiche, jedoch sehr elegante Angelegenheit, in der vor allem der geniale George Sanders als zynischer Lord Henry brilliert, der die klugen Aphorismen und bösen Bonmots des Dichters zum Besten geben darf. Doch Hollywood wäre nicht Hollywood, wenn man die Geschichte des im viktorianischen London zum Laster verführten Jünglings Dorian Gray, dessen Ausschweifungen sich allein auf den Zügen seines gemalten Porträts abzeichnen, während er selbst ewig strahlend jung und schön bleibt, nicht doch ein wenig verändert hätte: Zum einen durften die Ausschweifungen der Zensur wegen dann doch nicht allzu heftig ausfallen, und zum anderen benötigte man offenbar eine Erklärung für die wundersame Veränderung des Porträts - die Statue eines ägyptischen Katzengottes, um die herum die Kamera in Dorians Salon ständig kreist.

„Das Bildnis des Dorian Gray“ 10.1. im Arsenal

■ Noch eine elegante Literaturverfilmung: In „Onegin“ verkörpert Ralph Fiennes den gelangweilten, zynischen Großgrundbesitzer aus Alexander Puschkins Versroman Eugen Onegin . Ein Mann mit fortschrittlichen Ideen, der die einzige mögliche Liebe seines Lebens verkennt und der jungen Tatjana (Liv Tyler) erst verfällt, als sie bereits mit einem anderen Mann verheiratet ist. Die literarische Welt des Romantikers Puschkin gestaltet sich in der britischen Verfilmung durch die Werbefilmerin Martha Fiennes sehr elegisch: Fahl fällt das Licht auf schneebedeckte Landschaften, schwermütig erklingen traurige Violin-Weisen. Oft sehr schön, und nur manchmal etwas zu dekorativ.

„Onegin“ 6.1. in der Urania

■ Gezeigt wird „Asphalt-Dschungel“ im Filmmuseum Potsdam aus Anlass der Ausstellung von Bert Sterns Marilyn-Monroe-Fotografien. Allerdings fällt MMs Rolle in John Hustons Gangster-Klassiker eher etwas klein aus, wenngleich auch nicht untypisch für alles, was später noch folgen sollte: Die Monroe verkörpert die laszive Geliebte des eleganten Mr. Emmerich (Louis Calhern), der als „Finanzier“ eines Juwelenraubes plant, die Räuber nach erfolgtem Coup übers Ohr zu hauen. Sehr blond, sehr gierig, ein biss-chen dumm und in diesem Fall auch einigermaßen bösartig: Mit der Rolle des nach reichen Sugar-Daddys angelnden „Gold Diggers“ war die Monroe in den folgenden Jahren förmlich ausgebucht - bis dieses Klischee letztendlich zu ihrem Albtraum wurde. Auch in anderer Hinsicht geriet „Asphalt-Dschungel“ zum Meilenstein: Die Geschichte von den drei Gangstern, die noch einen letzten Coup planen, gehört zu den herausragenden Beispielen des amerikanischen Caper-Movies - ein Sub-Genre des Gangsterfilms, in dem Plan und Ausführung eines Verbrechens sowie die Motivation der Gangster sehr ausführlich geschildert werden.

„Asphalt-Dschungel“ 10.1. Filmmuseum Potsdam

Lars Penning