zoologie der sportlerarten
: PROF. HIRSCH-WURZ über den Eisschnellläufer

Hare Krishna mit Mützchen

Die Ursprünge des Homo klappkufensis liegen vollkommen im Dunkel der Frühgeschichte. Sicher ist, dass es diesen flinken Gleiter schon seit Urzeiten gibt und dass er, anders als der Rest der Menschheit, nicht aus Afrika stammt. Vor einigen Jahren konnte zwar im hohen Norden Sibiriens ein im ewigen Eis eingefrorenes, vollständiges Exemplar geborgen werden, doch unglücklicherweise gelang es nicht, den Fund näher nach seiner Herkunft zu befragen. Kaum war er aufgetaut, blickte er sich um, nahm erfreut das nahe Eis zur Kenntnis, stieß ein fröhliches „Hup, Holland, hup“ aus, nahm einen Hieb aus seiner Genever-Flasche, und ehe sich der Auftautrupp versah, war er schon auf und davon.

Videoaufzeichnungen und Aussagen von Zeugen des Vorfalls legen nahe, dass der prähistorische Homo klappkufensis ein Niederländer war, aber vielleicht konnte er auch nur gut Fremdsprachen. Einige Angehörige des Forscherteams versichern, dass die Kufen des Homo kufensis sibiricus, wie sie ihn tauften, aus Horn bestanden und fest angewachsene Bestandteile seiner Physiognomie waren. Darüber hinaus habe er Kufen auch an den Händen gehabt, so dass er im Bedarfsfalle vierfüßig skaten konnte, um behenden Eisbären oder den berüchtigten menschenfressenden Raubwachteln der nördlichen Eiszeit-Tundra zu entgehen. Die Theorie mit den angewachsenen Kufen ist jedoch völlig unbewiesen und scheint uns ähnlich absurd wie die jüngste Behauptung einiger Paläontologen, der Tyrannosaurus Rex habe in Wahrheit ein prächtiges Federkleid besessen und ausgesehen wie ein überdimensionaler Vogelstrauß mit künstlichem Gebiss.

Als sicher gilt, dass der heutige Homo klappkufensis bevorzugt in den Niederlanden nistet, obwohl er vereinzelt auch in unwirtlichen Randregionen der bekannten Welt wie Kanada, Japan, Norwegen oder Erfurt vorkommt. Im Großen und Ganzen ist der Eisschnelläufer ein armer Hund, besonders weil ihm außer in Holland und Japan niemand bei der Ausübung seines Metiers zuschauen will. Vor allem seine niederländischen Anhänger sind über diese Missachtung so bestürzt, dass sie ihm überall hin nachreisen, sogar nach Japan, sich zu diesem Behufe in grelles Orange kleiden, Hüte mit Klatschhänden aufsetzen und insgesamt den Eindruck vermitteln, es handle sich bei der Kufengemeinde um eine besonders fanatische, durchgedrehte und frostige Ausprägung der Hare-Krishna-Sekte. Die Monotonie eines 10.000-Meter-Laufes, der meditativsten Form des Wintersports nach dem 50-Kilometer-Langlauf, tut ein Übriges, um diesen Eindruck zu verstärken.

Es ist ein ehernes Naturgesetz, dass der Oberschenkel des Homo klappkufensis genau doppelt so dick ist wie sein Kopf. Diesen wiederum zwängt er in enge Mützchen, die während des Laufes nur noch einen winzigen Teil des Gesichtes preisgeben. Sobald er das Ziel erreicht, reißt sich der Eisschnellläufer das hässliche Mützchen schnell vom Kopf, damit die anwesenden Zuschauer bzw. Niederländer sehen können, dass in der Tat ein Mensch im Stromlinienanzug steckt und kein Brummkreisel auf Schlittschuhen.

Eine seltsame Affinität verspürt der Homo klappkufensis zum Fahrrad. Zwischen den Rennen strampelt er auf der Stelle, um sich warm zu halten, und wenn er genug hat vom Schlittschuhlaufen, fährt er die Tour de France wie Eric Heiden oder qualifiziert sich wenigstens für Olympia wie Chris Witty. Erwidert wird die Liebe komischerweise überhaupt nicht, obwohl ein Jan Ullrich beim Eissprint oder ein bemützter Marco Pantani beim Kufenmarathon ein durchaus erhebender Anblick sein könnte.

Irgendwann fällt es auch dem letzten Homo klappkufensis auf, dass die von ihm ausgeübte Betätigung eine überaus öde Form der sportlichen Fortbewegung darstellt. Also sinnt der unternehmungslustigere Teil auf neue Varianten, die Elfstedentocht zum Beispiel, ein notdürftig als Körperertüchtigung getarnter gigantischer Saufzug der holländischen Bevölkerung. Oder das Speedskating: Dabei flitzt alles durcheinander, schubst sich gegenseitig aus der Kurve und veranstaltet ein Spektakel, das sicher auch dem eiszeitlichen Homo kufensis sibiricus gefallen hätte. Apropos: Was macht eigentlich Erhard Keller?

Wissenschaftliche Mitarbeit: MATTI LIESKE

Fotohinweis:Holger Hirsch-Wurz, 40, ist Professor für Humanzoologie am Institut für Bewegungsexzentrik in Göttingen.