Zocken gegen die Studiobesetzer

Der Streik der tschechischen Fernsehmacher entwickelt sich zur politischen Krise. Ein Studiogebäude ist besetzt, die Nachrichten sind von gestern, die Künstler des Landes solidarisieren sich, die EU guckt aber erst mal nur vorsichtig zu

Journalisten wollen endlich „Zensur und politische Manipulaton der Medien beenden“

aus Prag ULRIKE BRAUN

Für die einen ist es „ein Moment der Wahrheit für Pressefreiheit und Demokratie“. Für die anderen Aufbegehren gegen die tschechische Regierung. Die Internationale Journalistenföderation, die das derzeitige Gerangel um den öffentlich-rechtlichen tschechischen Sender „Ceska televize“ (CTV) verteidigt, hat in einer Erklärung zur Unterstützung der streikenden tschechischen Fernsehmacher sowohl die EU als auch den Europarat dazu aufgefordert, mehr Druck auf den tschechischen Staatsapparat zu machen. Schließlich ginge es darum, „Zensur und politische Manipulation der Medien zu beenden“, heißt es in der Erklärung weiter.

Der Europarat tut sich allerdings schwer, bei dem Streit, der seit Weihnachten in und um den Sender herum tobt, Stellung zu beziehen (ganz im Gegensatz zu Intellektuellen und Künstlern wie dem Regisseur Miloš Forman, der sich in einer Fernsehbotschaft mit den Besetzern solidarisierte). Brüssel beobachte zwar das Geschehen in Tschechien, wolle aber keinen konkreten Kommentar dazu abgeben, sagte der Chef der Medienabteilung des Europarats, Hanno Hartig.

In Tschechien selbst entwickelt sich die Affäre langsam, aber sicher zu einer politischen Krise. Am Dienstag tagten die Chefs der größten Parteien des Landes vier Stunden lang, um zu dem Schluss zu kommen, dass sie sich nicht einigen können. Aber vielleicht flackert zumindest ein schwaches Licht am Ende des Tunnels: Gestern beriet die Prager Regierung über eine mögliche Änderung des Rundfunkgesetzes. Kulturminister Pavel Dostal sagte der Presse, dass davon vor allem die Ernennung der Mitglieder des CT-Rundfunkrates betroffen sein würde.

Der sozialdemokratische Premier Miloš Zeman und Parlamentschef Václav Klaus von der „Bürgerlich-Demokratischen Partei“ (ODS) verlangen derweil einen Kompromiss, um den Konflikt zu lösen: Wenn der Stein des Anstoßes, Generalintendant Jiří Hodac, geht, müssen auch in den Reihen der aufständischen Nachrichtenredakteure Köpfe rollen. Die halten seit Heiligabend aus Protest gegen die Ernennung Hodacs und seiner neuen Nachrichtenchefin Jana Bobosikova das Nachrichtengebäude des Senders besetzt und machen ihr eigenes Programm. Volle Unterstützung finden sie hierbei bei den Christdemokraten (KDU-CSL) und dem ODS-Abspalter Freiheitsunion.

Die Vorsitzenden der beiden Parteien, Jan Kasal beziehungsweise Karel Kühnl, weigerten sich vorgestern bei ihrer Zusammenkunft mit Klaus und Zeman, deren Kompromisslösung anzunehmen. Als „Debakel“ bezeichnete dementsprechend die Tageszeitung Pravo das Treffen der Parteichefs. Aber noch ein weiteres Debakel ereignete sich am Dienstag: Während der 16-Uhr-Nachrichten des „offiziellen“ CTV (in Anspielung auf den Namen der Nachrichtenchefin Bobosikova seit neuestem auch „Bobovize“ genannt) wurden aus Versehen die Nachrichten vom Vortag gesendet. Trotz verzweifelter Versuche von Bobosikova und Hodac, erfahrene Fernsehjournalisten in ihr Team einzuspannen, müssen sie sich auf Anfänger oder Journalisten verlassen, die ihren Beruf schon vor Jahren an den Nagel gehängt haben. Denn niemand aus der tschechischen Medienwelt will so richtig mit den beiden zusammenarbeiten. Auch Hodacs Fähigkeiten, ein landesweites öffentlich-rechtliches Medium zu führen, werden angezweifelt. Mit einem Führerschein könne man ja auch keine Concorde steuern, ließ sein Ex-Chef aus der tschechischen Redaktion des BBC World Service in London, Miloš Vavra, verlauten.

Noch eine ehemalige Kollegin aus Hodacs Londoner Zeit zeigte sich über seine Erhebung in den Chefsessel des CTV überrascht: „Ich war in einer viel höheren Funktion als Hodac“, erklärte die ehemalige BBC-Redakteurin Mary Raine. „Aber auch ich habe nicht die Qualifikation dazu, einen Fernsehsender zu leiten.“

Aber der Senderat des tschechischen Fernsehens weiß es besser: „Der Generalintendant hat unser Vertrauen. Sein Rücktritt steht nicht zur Debatte“, sagte Ratsmitglied Frantisek Miks nach der Sitzung am Dienstag. Dabei hat es Hodac bis jetzt nicht geschafft, den Sendebetrieb problemlos wieder aufzunehmen. Die Nachrichten, wenn es denn die richtigen sind, sind kürzer als gewöhnlich, der Sport ist ganz vom Bildschirm verschwunden.

Wettbegeisterte Tschechen hoffen dagegen durch die Krise beim Öffentlich-Rechtlichen, die große Sause zu machen. Rund eine Million Kronen (etwa sechzigtausend DM) wurden in den letzten drei Tagen des vergangenen Jahres darauf gesetzt, ob Hodac am Dreikönigstag um zwölf Uhr mittags noch im Chefsessel des Senders sitzt. Rund zwei Drittel der Zocker glauben, dass er sich dort noch eine Weile hält.