„Westerwelle soll sich äußern“

Die bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger meint, dass Wolfgang Gerhardt noch Parteichef ist, weil bislang nur Möllemann gegen ihn angetreten war. Westerwelle hätte Siegchancen

taz: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, können Sie uns einfach mal erklären, warum sich Herr Gerhardt als Parteichef so lange gehalten hat?

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Zum einen gab es gegen Gerhardt nur einmal mit Herrn Möllemann einen Gegenkandidaten. Zum anderen stand er lange Zeit für eine klare Koalitionsaussage für die Union, die in der Vergangenheit in der FDP von der Mehrheit gewünscht wurde.

Was hielten Sie denn von Herrn Westerwelle als Parteichef?

Zunächst einmal sollte sich Herr Westerwelle äußern, ob er überhaupt als Kandidat antreten wird.

Und wenn er es täte?

Dann würde das ein sehr offenes Rennen in der Partei werden.

Eigentlich müssten Sie sehr froh sein. Soviel Aufmerksamkeit wurde der FDP schon lange nicht mehr geschenkt.

Aufmerksamkeit an sich ist noch kein Wert. Das steigert nicht unbedingt die Zustimmung zu unserer Partei.

Herr Möllemann ist da anderer Ansicht. Es sei gut, hat er kürzlich erklärt, wenn man viel von der FDP höre, sonst dächten die Wähler, sie sei ausgewandert oder entschlafen.

(Lacht) Nein, davon halte ich wirklich nichts. Die FDP muss auf Dauer wieder klar machen, für welche Inhalte sie eigentlich steht.

Also künftig keine Ausflüge des Herrn Westerwelle in den Big-Brother-Container?

Natürlich muss eine kleine Partei immer sehen, dass sie präsent bleibt. Aber solche Aktionen bringen uns keine neuen Wähler. Wenn wir keine Inhalte transportieren, werden wir auch keine nachhaltige Unterstützung finden. Und auf die kommt es am Ende an – nicht auf einen einzigen medienwirksamen Auftritt. Nein, die FDP muss wieder die Meinungsführerschaft auf bestimmten liberalen Positionen übernehmen.

Welche sollen das denn sein?

Im Zusammenhang mit der BSE-Krise höre ich von meiner Partei fast gar nichts über den Umbau der Agrarwirtschaft. Auch bei der Europapolitik, eines unserer früheren Kompetenzfelder, herrscht weit gehend Schweigen.

Auf dem sehr umstrittenen Gebiet der Bio- und Gentechnologie hingegen fordert die FDP weit gehende Öffnungen für die Forschung.

Dazu habe ich eine etwas andere Meinung. Das, was zum Thema Gentechnologie kürzlich an die Öffentlichkeit gegeben wurde, waren die Ergebnisse eines FDP-Kongresses in Rheinland-Pfalz. Eigentlich muss das jetzt in der Partei breit diskutiert werden. Denn bei der Gentechnologie gibt es auch bei uns mehr als eine Meinung.

Das sind einzelne Politikfelder, aber wofür die FDP gut ist, bleibt unklar.

Meines Erachtens geht es zunehmend um die Auseinandersetzung zwischen Konservatismus und Liberalismus. Die SPD wird in Teilen strukturkonservativ, wenn Sie sich nur einmal manche Positionen von Herrn Schily ansehen. Und die Grünen sind noch in einem Wandlungsprozess.

INTERVIEW: SEVERIN WEILAND