Tote in der Truppe

Hektische Betriebsamkeit in Rom: Sechs italienische Soldaten, die 1995 auf dem Balkan stationiert waren, sind an Krebs gestorben

ROM taz ■ Niemand dachte an Salvatore Vaccas Einsatz im Bosnienkrieg, als der italienische Soldat im September 1999 an Leukämie starb. Doch mittlerweile zählen die italienischen Streitkräfte mindestens sechs Krebstote, die den seit 1995 auf dem Balkan stationierten Einheiten angehörten. Erst letzte Woche wurde der Tod des Unteroffiziers Rinaldo Colombo bekannt, der am malignen Melanom starb. „Wir haben an zerbombten Brücken Wache geschoben, direkt vor den zerstörten Panzern, ohne jeden Schutz. Wir konnten sehen, was die Urangeschosse anrichten; wir sahen, wie das Fleisch der Opfer mit dem Metall verschmolzen war“, berichtet ein Soldat aus der Einheit Colombos. Am Montag wurde publik, dass schon im November ein Wehrpflichtiger, der sich 1998 und 1999 freiwillig zu zwei Bosnien-Einsätzen gemeldet hatte, wenige Monate darauf an Leukämie erkrankt und verstorben war.

In Rom löst die Todesserie hektische Betriebsamkeit aus. Spezialisten kontrollieren alle italienischen Kasernen in Bosnien auf Radioaktivität – bislang ohne Ergebnis. Die Militärstaatsanwaltschaft erstellt Krankenlisten, denen zufolge mindestens 30 weitere Verdachtsfälle vorliegen. Und die Regierung hat eine medizinische Expertenkommission eingesetzt. Der Verteidigungsminister hat sich für heute zu einem Blitzbesuch in Sarajevo angemeldet. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Abgeordnetenhaus, Valdo Spini, hat eine parlamentarische Untersuchung angekündigt. Geklärt werden soll, wer unter den militärisch und politisch Verantwortlichen wann was über die Uranmantelgeschosse gewusst hat. Verteidigungsminister Sergio Mattarella teilte bereits mit, bis letzten Mittwoch sei er völlig ahnungslos gewesen.

Eine Ahnungslosigkeit, die überrascht: Beladen wurden die amerikanischen Jets auf den italienischen Flughäfen Aviano und Gioia del Colle, ganz ohne Geheimniskrämerei – die Munitionskisten waren mit „DU“ beschriftet. DU steht für Depleted Uranium, abgereichertes Uran. MICHAEL BRAUN