Das Ohr am Hörer der Mächtigen

Alles lässt sich sammeln. Das beweist Heinz Sänger, der den Handys von Politikern, Stars und Sternchen hinterherjagt. Er besitzt auch die Dinosaurier der Mobilfunkgeschichte. Nun möchte er gerne das Handy des Papstes, womit wir wissen, dass auch Johannes Paul II. mit solch einem Telefon umgeht

von BARBARA SCHÄDER

Clintons ist doppelt so groß wie Schröders, und ohne kommen sie beide nicht aus: ohne Handy. Trotzdem ist es Heinz Sänger gelungen, den zwei mächtigen Männern ihre Mobiltelefone abzuschwatzen. Sänger ist Sammler. Rund 60 Handys von Prominenten aus aller Welt hat er bereits ergattert. Wie er das macht? „Das kann man vergleichen mit einem Angler, der einen Fisch fangen will: Der muss erst einmal wissen, wo er schwimmt, eine Super-Angelausrüstung haben und ganz, ganz viel Geduld“, sagt der 56-Jährige. Die Super-Angelausrüstung ist in seinem Fall ein Netz aus Kontakten, das er rund um das Objekt seiner Begierde knüpft. Um Bill Clintons Handy verhandelte Sänger jahrelang mit dem Weißen Haus, bis er das Gerät im Sommer bei der amerikanischen Botschaft abholen durfte.

Ganz rasch ging es beim Vorzeige-Ostfriesen Otto: Sänger überrumpelte den Komiker einfach auf der Bühne und bat ihn, sein Handy im Tausch gegen ein neues herauszugeben. „Der hat das gar nicht für bare Münze genommen – ja, und als ich nach der Veranstaltung weg war, war auch sein Handy weg.“ Ein besonders schönes Stück, knallbunt und mit Ottifant auf der Rückseite. Das konnte Sänger natürlich nicht ersetzen. In der Regel bietet er den Besitzern seiner Beutestücke aber an, ihnen das gleiche Modell neu zu besorgen. Das ist oft nicht ganz einfach: Das knallblaue kantige Gerät von Uwe Seeler zum Beispiel war gar nicht mehr auf dem Markt. „Das ist so, als wenn Sie jemandem einen Oldtimer abnehmen und der sagt: ‚So, in zwei Stunden möchte ich den gleichen aber wiederhaben‘ “, schildert Sänger das Problem.

Zum Glück wollen nicht alle seine Opfer eine Gegenleistung. Helmut Kohl zum Beispiel verzichtete. Von seinen Kanzler-Handys ist dem Sammler Willy Brandts das liebste. Um es ausleihen zu dürfen, musste er Brandts Nachlassverwaltern schriftlich versichern, dass er im Falle eines Verlusts 10.000 Mark zahlen würde. Daraufhin erhielt er ein ungewöhnlich schweres Päckchen – und als Sänger es aufriss, kam ihm ein altes Diktiergerät entgegen. „Ich dachte erst, das wär’n Gag, aber dann haben die mir gesagt: In den Insiderkreisen war das Diktiergerät das ‚Handy‘ von Willy Brandt.“

So hat jedes Stück in Sängers Sammlung seine Geschichte. Einige tragen noch sichtbare Spuren ihrer ehemaligen Besitzer: Auf David Copperfields Handy klebt eine Nummer über dem Display – die von Claudia Schiffer, schwört Sänger. Ausprobiert hat er die Nummer allerdings noch nie – ebenso wenig wie die zahllosen anderen, die noch in seinen Sammelstücken eingespeichert sind. „Das ist ein Ehrenkodex von mir.“ Ihn zu brechen, würde letztlich nur seinem Ruf schaden, glaubt der Sammler. Das kann er sich nicht leisten, denn er plant den ganz großen Coup: Sänger will das Handy vom Papst. Man stelle sich vor, da wäre die Nummer von Gott selbst eingespeichert ...

Sängers Jagdeifer erwachte im Jahre 1985. Damals arbeitete er noch bei der Telekom und beschloss, die rasante Entwicklung der Mobilkommunikation zu dokumentieren. Er machte sich auf die Suche nach den „Dinosauriern der Mobilfunkgeschichte“. Auf dem Dachboden eines Essener Fachhändlers fand er sie schließlich: Geräte aus über 20 Jahren, ordentlich in Kartons verpackt. Sänger fühlte sich, „als hätte ich ne blaue Mauritius auf dem Flohmarkt entdeckt“. 16 Kilo wiegt sein älterster Schatz aus dem Jahre 1958, ein Autotelefon. Eine Sendeanlage dieses Typs fand man auch im Kofferraum von Adenauers Dienst-Mercedes, der im Bonner Haus der Geschichte steht. Der Handapparat dazu ist schwarz und schwer wie alle Telefone dieser Zeit. Die Gespräche über diese ersten Autotelefone liefen über das so genannte A-Netz und wurden per Hand vermittelt – „man brauchte immer das Fräulein vom Amt“, sagt Sänger. Und das alle 30 Kilometer, denn weiter reichte das Signal der Funkstationen nicht – das Gespräch brach einfach ab. Wenig Komfort also für viel Geld: „Die ersten Geräte kosteten 8.000 Mark, ein VW-Käfer 5.000 Mark. Ein Facharbeiter verdiente gerade mal 7.000 Mark im Jahr“, vergleicht Sänger.

Auch das B-Netz, das 1972 in Betrieb ging, blieb eine Domäne der Privilegierten: Knapp 13.000 Teilnehmer nutzten Ende der 70er das Netz, das erstmals Telefonate vom Auto ins Festnetz und umgekehrt ermöglichte. Erst mit dem Start des C-Netzes 1985 wurde das Mobiltelefon zum „Handy“, das man in der Hand mit sich herumtragen konnte. Allerdings nicht lange: Die C-Netz-Geräte wogen immerhin noch 800 Gramm. Oskar Lafontaine und Franz Müntefering stifteten zwei 8.000 Mark teure Exemplare für Sängers Mobilfunk-Museum. So groß wie diese beiden Geräte ist nur noch eines der modernen: das von Bill Clinton. Der habe ja auch „große Gespräche“ zu führen, gibt Sänger zu bedenken. Vielleicht zählten dazu einst auch Gespräche mit Monika Lewinsky. Ob ihre Nummer in dem Apparat gespeichert ist, würde Heinz Sänger allerdings nie verraten. Ehrenkodex ist Ehrenkodex.

Heinz Sängers Mobilfunk-Museum ist meistens als Ausstellung unterwegs. Zurzeit ist die Sammlung im Elektro-Fachmarkt „Berlet“ in Hagen-Hohenlimburg zu sehen.