Somalias schwere Wiedervereinigung

Zehn Jahre nach dem Verschwinden der letzten somalischen Regierung hat das Land wieder eine neue. Aber ihre Macht wird von Warlords und Sezessionisten herausgefordert, und die Nachbarländer wollen kein starkes Somalia

BERLIN taz ■ Regierungen in Somalia sind eine subjektive Angelegenheit. Fast zehn Jahre lang hatte das Land keine Zentralregierung. Seit August 2000 gibt es in Somalia wieder einen Präsidenten und ein Parlament, seit Oktober sogar einen Premierminister und ein Kabinett. Und je mehr all diese Leute meinen, sie seien eine Regierung, desto heftiger wird der Widerstand jener Somalis, die dies bestreiten.

Am 7. Januar 1991 war Somalias letzter Diktator Barre aus der umkämpften Hauptstadt Mogadischu geflohen. Die Rebellenbewegung USC (Vereinigter Somalischer Kongress) übernahm die Macht, aber ihre Führer Farah Aidid und Ali Mahdi bekämpften sich weiter, während sich im Rest des Landes die anderen Militärführer selbstständig machten. Somalia zerfiel, und auch eine gigantische Militärintervention von USA und UNO 1992–95 konnte daran nichts ändern. Seither ist Somalia geteilt: Der Norden ist als „Republik Somaliland“ unabhängig, im Nordosten rief ein Warlord den Staat „Puntland“ aus. Im Rest des Landes hielt sich eine unsichere Machtbalance zwischen Kriegsfürsten. Erst letztes Jahr starteten Vertreter der Zivilgesellschaft eine Versöhnungskonferenz im Nachbarland Dschibuti, aus der die Institutionen entstanden, die seither versuchen, sich in Mogadischu als Regierung zu etablieren.

Die Stärke der neuen Regierung besteht darin, dass sie Ergebnis eines Kompromisses zwischen dem Machtapparat des mittlerweile verstorbenen Exdiktators Barre und Teilen seiner einstigen Hauptgegner aus dem USC ist. Staatspräsident Abdulkassim Salat war lange Zeit Barres Innenminister, Premierminister Ali Khalif Galaydh war einst Barres Industrieminister. Unterstützt wird dieses Team vom früheren zivilen USC-Führer Ali Mahdi sowie somalischen Islamisten. „Barres Gegner haben begriffen, dass sie es nach Barres Sturz nicht schafften, das Land zu regieren“, sagt Nur Weheliye, vor zehn Jahren USC-Mitglied und heute Berater des Premierministers. Also habe man sich versöhnt.

Hält diese Koalition, könnte daraus ein handlungsfähiger Staat entstehen, hofft Nur Weheliye. „Es sind bereits Milizen von der Straße geholt worden, es gibt weniger Überfälle und Plünderungen,“ berichtet er. 5.000 Milizionäre seien bereits als Polizisten eingestellt worden, Geschäftsleute finanzierten Demobilisierungsmaßnahmen.

Allerdings hat Präsident Salat mit vielen Problemen zu kämpfen. Er und seine Regierung leben in Hotels – im Präsidentenpalast sitzt Warlord Mohammed Aidid, Sohn des früheren USC-Militärführers Farah Aidid und Gegner der neuen Regierung. Die feindselige Haltung Aidids und anderer Warlords zwingt Salat, Hafen und Flughafen der Hauptstadt wegen möglicher Angriffe geschlossen zu halten. Mogadischu ist weiterhin von der Außenwelt abgeschnitten. Und der Führer des Rahanwein-Clans, der die fruchtbare Gegend um die Stadt Baidoa kontrolliert, befindet sich seit einigen Tagen im bewaffneten Aufstand.

So verwundert nicht, dass die ausländische Unterstützung für das „neue Somalia“ bisher die Stufe der ermutigenden Rhetorik nicht überschritten hat. Gewichtige Kritik an den neuen Institutionen hat der britische Ethnologe Ioan Lewis geübt, einer der besten Somaliakenner der westlichen Welt. Die Regierung Salat sei eine ideenlose Neuauflage des diskreditierten Barre-Regimes, schrieb Lewis im Oktober – „eine neue Militärfraktion, die Waffen aus Jemen importiert, um die etablierten Warlords herauszufordern“.

Für Ali Ibrahi Farah, Leiter einer in Kenia basierten somalischen Friedensinitiative, sind die laufenden Machtkämpfe hingegen nur ein taktisches Kräftemessen im Hinblick auf die geplante Ausarbeitung einer föderalen Verfassung. „Aidid tut nur so, als sei er gegen die Regierung“, meint Farah. „Damit will er die Warlods um sich scharen. Und dann wird er sich mit der Regierung versöhnen und sie alle mit hineinholen. Er will dadurch einen guten Posten kriegen, vielleicht Außen- oder Verteidigungsminister.“

Aber gerade wenn dies stimmt, tauchen für Somalia neue Probleme auf. Die Nachbarländer Kenia und Äthiopien haben beide Angst vor der Anziehungskraft, die ein geeintes, starkes Somalia auf die eigenen traditionell schlecht behandelten somalischen Minderheiten haben könnte. Sie erinnern sich, dass Siad Barre in den 70er- und 80er-Jahren Krieg zur Vergrößerung des somalischen Staatsgebietes führte. Äthiopien unterstützt daher die Sezessionisten in Somaliland und auch bewaffnete Gruppen in Zentralsomalia.

DOMINIC JOHNSON