Der Druck auf die USA wächst

Der Nato-Rat wird sich kommende Woche mit dem Einsatz von DU-Munition auf dem Balkan befassen. Die Mitgliedsstaaten bestehen auf Detailinformationen aus dem Pentagon. Belgien und Portugal fordern internationale Untersuchungskommission

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Nach zunehmendem Druck aus immer mehr Mitgliedsstaaten wird sich der Nato-Rat in Brüssel am kommenden Dienstag mit dem Einsatz urangehärteter Bomben und Granaten (DU-Munition) in Bosnien und Serbien/Kosovo und dessen Folgen für die dort eingesetzten Soldaten der SFOR- und KFOR-Truppen befassen. Nach Italien, Spanien, Portugal, Belgien und den Niederlanden forderte gestern auch Frankreichs Verteidigungsminister Alain Richard die USA zur „Offenlegung aller relevanten Informationen“ auf. Ähnlich äußerte sich der Präsident der EU-Kommission, Romano Prodi. Zudem verlangte Prodi sofortige Gespräche mit den Regierungen Serbiens und Bosniens über mögliche Umweltgefahren für die dortige Bevölkerung durch Reste von Uranmunition.

Die Prager Zeitung Mlada fronta Dnes berichtete gestern über den Leukämietod eines tschechischen Soldaten nach seinem letztjährigen Rückkehr von einem Einsatz im Rahmen der SFOR in Bosnien. Bei der Nato-Sitzung am nächsten Dienstag werden die Alliierten von den USA vor allem Einzelheiten über die Einsätze von DU-Munition in Bosnien verlangen. Diese Einsätze hatte Washington bis Ende letzten Jahres vor seinen Verbündeten geheim gehalten.

Nach Informationen der taz bombardierten US-amerikanische Kampfjets vom Typ A-10 im Rahmen der Nato-Operation „Deny Flight“ zunächst am 5. August und am 22. September 1994 militärische Stellungen der bosnischen Serben in der Umgebung der (damals von den Serben belagerten) Hauptstadt Sarajevo mit DU-Munition. Der zweite Einsatz durch amerikanische A-10-Jets erfolgte im Rahmen der Nato-Operation „Deliberate Force“ zwischen dem 20. August und dem 14. September 1995 gegen Stellungen der Serben in ganz Bosnien. Insgesamt verschossen die US-Kampfflugzeuge bei den Bosnien-Einsätzen 1994 und 1995 10.800 Projektile mit rund zehn Tonnen DU.

Die Alliierten wollen von den USA die genauen Einsatzziele erfahren, um diese mit den Stationierungsorten ihrer Soldaten zu vergleichen, die ab 1995 im Rahmen der Ifor/SFOR in Bosnien eingesetzt wurden. Doch selbst mit einem genauen Abgleich der Ziele von DU-Geschossen mit den Stationierungsorten lässt sich eine Gefährdung von Soldaten nicht sicher ausschließen, da die hochgiftigen, radioaktiven Uranstäube vom Wind über hunderte von Kilometern verteilt worden sein können.

Auch mit Blick auf den Einsatz von DU-Munition im Krieg gegen Jugoslawien 1999 haben die USA ihren 18 Nato-Verbündeten noch nicht alle relevanten Detailinformationen übergeben. Ein Nato-Sprecher im Hauptquartier der Allianz-Streitkräfte in Europa schloss gestern eine Gesundheitsgefährdung durch DU-Munition aus. Die Gefahr sei „nicht größer als bei einem Schwermetall wie Quecksilber oder Blei“.

Die portugiesische Regierung ordnete an, dass nicht nur die 900 bislang im Kosovo stationierten Soldaten untersucht werden sollen, sondern alle 10.000 Soldaten, Polizisten und zivilen MitarbeiterInnen, die seit Beginn der Missionen von Ifor/SFOR und KFOR in Exjugoslawien eingesetzt wurden. Belgien und Portugal forderten eine internationale Kommission zur Aufklärung der Todesfälle und Erkrankungen unter Soldaten. Nach Finnland kündigten auch Dänemark und Schweden eine Untersuchung ihrer im Balkan eingesetzten Soldaten und Zivilpersonen an.