Waldorfschule als Sparschule

Neues Gesetz gibt freien Schulen Geld für Bauvorhaben, zieht es aber woanders ab. „Grenzen des Zumutbaren sind erreicht“  ■ Von Sandra Wilsdorf

Die Finanzierungsidee des Jahres: Alle Eltern melden ihre Kinder auf Waldorf- oder anderen freien Schulen an. Dann könnte die Stadt Hamburg jedes Jahr etwa 50 Millionen Mark sparen. Denn für den Schüler einer freien Schule zahlt die Stadt nur 7500, für einen Staatsschüler 13.500 Mark. So hat es die Landesarbeitsgemeinschaft der Rudolf Steiner Schulen in Hamburg (LAG) ausgerechnet und wehrt sich dagegen: „Wir liefern 100 Prozent Schulunterricht, erhalten dafür aber nur halbsoviel Geld wie eine staatliche Schule“, heißt es in einer Mitteilung.

Daran wird auch das neue Hamburgische Privatschulgesetz nichts ändern, das in der kommenden Woche beraten wird, von dem sich die Waldorfschulen aber eine Gelddusche erhofft hatten. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1994 entschieden, dass auch privaten Schulen ein Zuschuss zu Bauvorhaben gebührt. Die Entscheidung wird nun auf Landesebene umgesetzt.

„Aber natürlich kommt deshalb nicht mehr Geld in den Topf“, sagt Frauke Scheunemann, Sprecherin der Schulbehörde. Was bei den Bauvorhaben dazukommt, wird woanders abgezogen: Bei den Sonderbedarfen, wie Koordinations- und Leitungsstunden. Damit wird es für die sechs Hamburger Waldorfschulen immer enger.

„Wir sind eine für alle frei zugängliche Schule, aber dieser Duktus ist in Gefahr“, sagt Matthias Farr, Sprecher der LAG. Schon jetzt zahlen die Eltern durchschnittlich 200 bis 500 Mark Schulgeld pro Monat, jede Familie ganz nach ihren persönlichen Möglichkeiten. Und die reichen von Null bis 1300 Mark.

Die LehrerInnen arbeiten außerdem für weniger Geld als ihre KollegInnen an staatlichen Schulen, häufig bei vergleichbarer Ausbildung: „Die verdienen im Schnitt 1500 Mark weniger“, hat Farr ausgerechnet. So gehe ein lediger Oberstufenlehrer mit 2800 Mark netto nach Hause: „Da überlegen es sich viele zweimal, dafür nach dem Studium noch eine Zusatzausbildung zu machen.“ Zumal, „Hamburger Schulen innovative Ansätze haben“, sagt Farr. „Aber man kann uns doch nicht als Reformschule nutzen, unsere Ideen nehmen und dann ausbluten lassen.“

Wenn also das Schulgeld nicht steigen und die Lehrergehälter nicht sinken können, werden dann die Klassen größer? „Wir haben schon 38 Kinder pro Klasse“. Für das soziale Lernen sei das gut, verlange aber entsprechende Zusatzangebote wie Sport. Genau an diesen und an therapeutischen Angeboten wird gespart. Die Rudolf-Steiner-Schulen finden: „Mit dem neuen Gesetz sind die Grenzen des Zumutbaren erreicht.“

Die Schulbehörde sieht das weniger dramatisch: „Erstens kostet der durchschnittliche Staatsschüler nicht 13.500, sondern etwa 11.000 Mark“, sagt Scheunemann. Zudem sei das Konzept der Waldorfschulen auf mindestens zwölf Jahre ausgelegt. Das mache die Mittlere Reife auf einer Waldorfschule teurer als auf einer staatlichen Schule.

Die Waldorfschulen wollen für ihr Konzept durchaus einen Eigenanteil leisten, Farr denkt allerdings eher an 15 als an 50 Prozent. Denn „wir wollen keine Schule für Besserverdienende werden“.