Live and let die leicht gemacht

■ Wildnisschule bei Wildeshausen bietet Kindergeburtstage und Überlebenstraining für die ganze Familie / Auch VegetarierInnen müssen unter Umständen zum Tier greifen

Leben im Einklang mit der Natur, das wünschen sich viele, tun aber nur wenige. Vor allem in den städtischen Ballungszentren ist eher das Gegenteil der Fall. Die Möglichkeit das – auch für den handelsüblichen Größstädter – zu ändern, bietet die Wildnisschule in Horstedt bei Wildeshausen. Wildnis- oder Überlebenstraining ist hier nicht nur was für Aussteiger oder Stallone-Fans, sondern für die ganze Familie. Feuer machen mit Feuersteinen und Stahlstäben, kochen mit dem, was die Wildnis so bietet oder ein Bett bauen im Wald: All das kann gelernt werden – der Survival-Trip für Einsteiger.

Trotz stürmendem Regen machen sich 20 junge Frauen auf den Weg. Sie müssen für ihr erstes Wildnismahl die Zutaten sammeln. Ausgestattet mit Stofftaschen, Regenjacke und Gummistiefeln ziehen sie in den Wald, um Spitzwe-gerich, Sauerampfer, Löwenzahn, Eicheln, Schilfwurzeln und Rohrkolben zu suchen. „All das steht am Waldrand oder Seeufer“, erklärt Norbert Kranz, der Kursleiter. Beim Sammeln von Wildgemse und Wildbeeren macht man es fast so wie die Tiere. Das heißt, man muss am Waldrand oder am Seeufer suchen, den so genannten Randzonen, eben immer da wo ein Lebensraum auf den anderen trifft. Dort findet man – hoffentlich – die Beeren für die spätere Suppe und das Gemüse für ein schmackhaftes Pesto.

Das schon zu Hause vorbereitete Brot soll später im Feuer gebacken werden. Das große Indianerzelt mit dem Rauchloch in der Spitze, auch Tipi genannt, wird Schutz vor dem Regen bieten. Doch wo soll bei dieser Nässe nur das trockene Holz herkommen? „Generell gilt, nie etwas vom Boden aufzusammeln“, sagt Norbert Kranz, denn der Boden ist im Wald fast immer feucht. Gut zu gebrauchen seien aber abgestorbene Bäume. Am Wegesrand taucht eine alte Traubenkirsche auf. „Da ist nur Draußen die Rinde nass“, erklärt Kranz, drinnen aber sei das Holz „furztrocken“. „Mitnehmen“, lautet also das Kommando. Kranz packt die Säge aus und der erste Ast fällt gleich krachend zu Boden.

Gibt die Natur nicht genug pflanzliche Nahrung her, müssen auch VegetarierInnen unter Umständen zum Tier greifen. Denn dann ist tierische Nahrung die inhaltsreichste, die man kriegen kann. Doch dafür muss man töten. Die Wildnisschule veranstaltet aber kein wildes Gemetzel, sondern zeigt den Leuten, wie sie ein Tier töten können, ohne dass es lange leidet. „Dieser Teil des Kurses ist immer das Highlight“, sagt der dunkelhaarige Teamer. Anfangs hätten die TeilnehmerInnen immer einen großen Ekel gehabt, später aber, wenn sie alles hinter sich haben, sind sie mächtig stolz, es doch gemacht zu haben. Als Kursleiter würde ihn das „unglaublich befriedigen, denn wer Fleisch essen will, muss auch Tiere töten können“. So einfach ist die Regel.

Seit zwei Jahren gibt es die Wildnisschule bei Wildeshausen. Die Bremer Volkshochschule meldete sich beim Zentrum für ökologische Fragen, denn immer mehr Menschen wollten Natur pur erleben. Nur selten melden sich jedoch beinharte Überlebenskünstler. In der Regel sind es Menschen, denen in der Stadt die Nähe zur Natur verloren geht. Und so stehen neben der Wildnisküche und dem Überlebenstraining auch Kindergeburtstage und Klassenfahrten auf dem Programm. Übernachten, kochen, leben wie ein Indianer oder in der Steinzeit – alles ist dort möglich.

Katharina, Anfang 20, hat keine Probleme beim Sammeln von Brennnesseln, Löwenzahn und Sauerampfer. Zielstrebig stopft sie die bunte Sammlung in ihren Beutel. All das Kraut kennt sie nur zu gut, „nur halt als Unkraut aus dem Garten und nicht als Lebensmittel“. Probiert hat sie die Brennnesseln beim Unkrautjäten bislang jedoch nicht. Ist aber gar kein Problem, sagt Ulla Lipka, die zweite Kursleiterin. Das Blatt mit den Brennhaaren an der Unterseite könne man einfach zusammenrollen wie beim Zigaretten drehen oder zusammenklappen. Oder, fügt ihr Kollege hinzu: „Einfach reiben und rein in Mund.“ Lecker sei das. Für Katharina schmeckt die Brennnessel „ein bisschen haarig“ aber schmackhafter als die anderen gesammelten Zutaten. Auf der Zunge gepikt hat die Brennnessel tatsächlich nicht.

Beate Hinkel

Infos unter www.Wildnisschule.de oder bei der Bremer Volkshochschule, Telefon 361 59 525.