Viele Farben auf Schwarz-weiß

■ Zur Vorschau: Mit drei Pianisten präsentiert Radio Bremen ab heute wieder Exquisites „Auf schwarzen und weißen Tasten“

Furore macht in jedem Januar das kleine Klavierfestival „Auf schwarzen und weißen Tasten“ von Radio Bremen. Mit drei Konzerten ist es klein, mit den Namen der PianistInnen und dem Repertoire ist es groß. Normalerweise bin ich eine Freundin von Programmen und Stücken, die etwas neben den immer wieder gespielten Abläufen angesiedelt sind. Andererseits: Klavierabende sind selten genug, und es gibt unter der großen Klavierliteratur derart faszinierende Werke, dass ich hier nicht meckere, wenn wir einige davon vom 8. bis zum 12. Januar im Sendesaal von Radio Bremen zu hören kriegen. Außerdem sind die Werke mit großer Nachdenklichkeit zusammengestellt worden. Geschickt hat der betreuende Redakteur Wilfried Schäper junge und ältere PianistInnen „gemischt“.

Den Anfang macht die 1972 geborene Russin Anna Gourari, die vor einer ungewöhnlich prominenten Jury den Clara-Schumann-Preis zugesprochen bekam: Martha Argerich, Nelson Freire, Vladimir Ashkenazy und Alexis Weissenberg gehörten ihr an. Ihr „fast mys-tisches Klavierspiel“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) widmet sie in Bremen Bach, den vertrackt schweren Scherzi von Frederic Chopin, den Préludes op. 11 und op. 22 von Alexander Skrjabin, dem in jungen Jahren Chopin ein großes Vorbild war. Der lange als Esoteriker missverstandene Russe (1872-1915) ist vor Olivier Messiaen der erste, der Klänge als „Farben“ verstand. Eine Rarität ist die 1996 entstandene Klaviersonate des 1932 geborenen Rodion Schtschredin, mit der Gourari neben Skrjabin einen weiteren Landsmann ehrt.

Es folgt ein Klavierduo. Hier kann es nicht ohne die ganz großen Stücke der Gattung gehen. Das sind Claude Debussys explosives „En blanc et noir“, Darius Milhauds wirbeliges „Scaramouche“. „Genova und Dimitrov“, wie sich die Rumänen Aglika Genova und Liuben Dimitrov als Duo nennen, gewinnen seit Jahren fast alle Wettbewerbe für zwei Klaviere. Sie faszinieren durch eine ungewöhnliche Homogenität – „zwei Seiten einer Seele“ haben die beiden jungen Künstler selbst ihr Spiel genannt – und eine atemberaubende Technik. In ihrem Programm ist außer den genannten Werken die Cuban Ouverture von George Gershwin zu hören, eine Sonate von Wilhelm Friedemann Bach und eine Bearbeitung von Maurice Ravels Jahrhundertwerk „La Valse“.

Der vierzigjährige Israeli Gilead Mishory, seit Oktober Professor für Klavier an der Musikhochschule in Freiburg, ist in Bremen kein Unbekannter, 1992 gab er innerhalb der Reihe „Auf schwarzen und weißen Tasten“ ein unvergessliches Konzert, bei dem er die gespielten Werke ineinander übergehen ließ: Seine Konzerte zeichnen sich generell aus durch eine überraschende Programmgestaltung. Das gilt auch hier, wenn er Franz Schuberts „Moments Musicaux“ mit eigenen Werken mischt. Außerdem steht auf seinem Programm Johann Sebastian Bachs „Englische Suite“ Nr. 3 und die Sonate in Es-Dur von Joseph Haydn: Dessen viel zu selten zu hörendes Klavierwerk ist bis heute katastrophal unterschätzt. Mishory wird am Wochenende nach seinem Konzert in Zusammenarbeit mit dem Bremer Tonkünstlerverband und der Bremer Hochschule für Künste einen Klaviermeisterkurs abhalten. usl

Anna Gourari am 8.1., Genova & Dimitrov am 10.1. und Gilead Mishory am 12.1. im Radio-Bremen-Sendesaal, Bürgermeister-Spitta-Allee 45 um 20 Uhr.