schnittplatz
: Saarbrücken weint

Goldene Europa 2000

(Sa., 20.15 Uhr, ARD)

Manchmal hat sich alles gegen einen verschworen. Der Himmel ist düster, die Menschen auf der Straße sind unfreundlich, und im Ersten läuft die „Goldene Europa 2000“. Mit Thomas Elstner, dem Sohn von Frank, und Andrea Bocelli.

Thomas ist für die schlimmen Moderationen zuständig. „Sohn“, hat Papa Frank zu ihm gesagt, „wenn du willst, dass die Menschen dich wirklich hassen, dann übernimm einfach alles von mir: die Körpersprache, also das Händefalten nach jeder Ansage, vor allem aber die schlechten Witze.“

Und Thomas hat es aufgesogen wie ein Mauerschwamm: „Das Lied ‚Hose auf am Pavillon‘ vom Prinzen Ernst August von Hannover nach der Melodie von ‚Sur le pont d’Avignon‘ ist in diesem Jahr nicht nominiert“, quält er. „Auch nicht ‚17 Jahr Koks im Haar‘ von Christoph Daum“. –Saarbrücken weint.

Zuerst vor Mitleid, dann über das Programm, das der SWR zwischen die Moderationen gepatscht hat. DJ Ötzi, Echt, die Elstner fragt: „Sagt mal, wer von euch hatte eigentlich die Idee, für euer Video nackt über den Kiez zu laufen?“ Zu Iris Berben, die ebenfalls eine mit güldener Tusche angemalte Pappmaché-Figur bekommt, sagt Elstner völlig ohne Zusammenhang: „Ich bin ja ein kleiner Flegel“. Und fängt an, nach jedem Act „Whooo!“ zu rufen wie ein Uhu. Nach ATC, die ihr Playback nicht lippensynchron hinkriegen, und nach dem föhnfrisierten niederländischen Zauberer Hans Klok, dessen Show ein Hinweis dafür ist, warum im Sozialismus von „degenerierten Wesen im Westen“ gesprochen wurde. Genau wie die Show von einer Art Fantasy-Schmetterlings-Dame, die nicht aufhört, zu singen: „Komm, mach dich schön / unberührtes Ding / schlüpf aus dem Kokon / kleiner Schmetterling.“ Und auch dafür: die „Goldene Europa“.

„Ab jetzt ist Soul blond“, radebrecht Elstner über Anastasia, und Bryan Ferry, der ahnt, woher der Wind weht, macht gleich einen Schritt weg, als Elstner auf ihn zugebetet kommt. Udo Lindenberg, der eine Goldene Europa für sein Lebenswerk bekommt, darf dagegen ein paar Worte mit Elstner wechseln. Und da stehen dann alle zusammen auf der Bühne: Pest und Cholera und Maul und Klauen. JENNI ZYLKA