SCHILY PLANT KRONZEUGENREGELUNG: EINE FATALE WIEDERHOLUNG
: Augenwischerei gegen rechts

Lange hat es gedauert, bis die verantwortlichen Politiker sich zur Notwendigkeit einer verstärkten Bekämpfung des deutschen Rechtsextremismus bekannten. Wo vorher Abwiegelei und Verharmlosung herrschten, bestimmt nun demonstrative Entschlossenheit das Bild. Doch kommt bisher dabei nicht mehr heraus als die aufgewärmte Kost, die schon während der Bekämpfung des Linksextremismus so schwer verdaulich war.

Bundesinnenminister Otto Schily will ein Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin bereitet eine Neufassung der umstrittenen Kronzeugenregelung vor. Auch das findet Schily „hilfreich“. Woher diese Überzeugung kommt, bleibt sein Geheimnis. Auf Erfahrungswerte und Fakten zumindest ist sie nicht zu stützen.

Nachdem die Kronzeugenregelung 1989 auf zehn Jahre befristet eingeführt worden war, wurde sie überhaupt nur in wenigen Verfahren angewandt. Und zumeist erwies sich der Kronzeuge als wenig zuverlässig. Um für sich selbst größtmögliche Vergünstigungen herauszuholen, war er beinahe zwangsläufig gezwungen, eigene Tatbeiträge kleinzureden und die anderer Verdächtiger entsprechend „aufzublasen“ oder auch schlicht zu erfinden. War die Kronzeugenregelung schon im kriminellen Milieu weitgehend erfolglos: Bei der RAF und den Revolutionären Zellen versagte sie völlig. Vor allem in der entscheidenden Phase: als diese Gruppen noch aktiv waren. (Hinterher ließen sich durch ausgesteigene ehemalige Aktivisten einige eher unerhebliche Löcher in den Ermittlungsakten stopfen.)

Nach diesen Erfahrungen sehen vor allem Strafverteidiger durch die Deals von Staatsanwälten und Kronzeugen ein faires Verfahren gefährdet. Auch Otto Schily gehörte einmal dazu. Und selbst Polizeibeamte und Staatsanwälte, die eine Kronzeugenregelung bis heute für unverzichtbar halten, räumen inzwischen schlechte Erfahrungen ein. Allein auf solche Aussagen dürfe sich kein Urteil stützen.

Etwas anders liegt der Fall bei dem geplanten Aussteigerprogramm. Hier könnten Milde gegenüber reuigen Neonazis und Hilfen bei der Wiedereingliederung einige Mitläufer und Randfiguren der rechten Szene erreichen und ihnen den Ausstieg erleichtern. Dies wäre bereits ein Erfolg. Doch sollte man nicht glauben, dass sich der harte Kern der ideologisch verbunkerten Führungspersonen, ihre Totschläger und Brandstifter damit aufbrechen ließen. Dies zu suggerieren wäre Augenwischerei. OTTO DIEDERICHS