FDP-Spitze „gewaltfrei“

Beim Dreikönigstreffen der FDP präsentierte das neue Führungsduo demonstrativ Geschlossenheit

von BETTINA GAUS

„Lieber Guido, du hast unsere Unterstützung“, versprach der baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende Walter Döring dem designierten Parteivorsitzenden Westerwelle beim traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart. So macht man das in gutbürgerlichen Kreisen: Zivilisiert und höflich fügt man sich ins Unvermeidliche – und wäscht die schmutzige Wäsche ganz gewiss nicht in der Öffentlichkeit.

Der bevorstehende Wechsel an der Führungsspitze wurde von den Rednern behandelt wie ein peinlicher Familienstreit, der endlich beigelegt ist und über den künftig möglichst wenig gesprochen werden soll. Stattdessen griff man auf bewährte Themen zurück: Der Mittelstand ist toll und muss gefördert werden, die Ökosteuer ist unsinnig und gehört abgeschafft. Die Steuern müssen überhaupt runter, dafür soll endlich mehr in die Bildung investiert werden, das Ladenschlussgesetz muss auch weg.

Unabhängig will die FDP außerdem künftig sein, also ohne Koalitionsaussage in den nächsten Bundestagswahlkampf gehen. Die Grünen sind out, die FDP ist in, und deshalb ist sie auf dem Weg nach oben kaum noch zu bremsen. Für die „freiheitliche Geisteshaltung“ stünden die Liberalen, sagte Noch-Generalsekretär Guido Westerwelle, „und die hat Konjunktur in Deutschland, und deswegen werden wir stärker.“ Beifall. Da waren sich fast alle einig, und die Dinge, über die man nicht ganz so einig ist, sollten gar nicht erst zur Sprache kommen.

Konsequent vermieden es sowohl Westerwelle als auch der noch amtierende Parteivorsitzende Wolfgang Gerhardt, das heikle Wort vom „Kanzlerkandidaten“ in den Mund zu nehmen. Bloß keine weitere Publizität für den nordrhein-westfälischen Quertreiber Jürgen Möllemann, der das so gerne werden möchte.

Aber wie das so ist auf Familientreffen – man versteht sich auch ohne allzu viele Worte. Westerwelle litt unter quälender Heiserkeit. Ein prominenter Parteifreund reichte ihm ein Glas, und der Redner bedankte sich artig. „Damit ist endlich klargestellt, dass mir Jürgen Möllemann sehr wohl das Wasser reichen kann.“ Lautes, verständnissinniges Gelächter. Ein Thema erledigt sich halt nicht allein damit, dass es totgeschwiegen wird. Aber man kann ja zumindest versuchen, den Mantel des Schweigens über die unangenehmeren Aspekte des Lebens zu breiten.

Ausführlich sprach Westerwelle darüber, dass manches von dem, was seine Kritiker vor einigen Jahren als „Turbokapitalismus“ bezeichnet hatten, inzwischen auch Politiker anderer Parteien als richtig erkannt hätten. Die Zeiten, so Westerwelle, änderten sich eben. „Zum ersten Mal in unserer Geschichte gibt es in Deutschland mehr Aktienbesitzer als Gewerkschaftsmitglieder“, freute sich der Redner und bezeichnete diese Entwicklung als den Weg hin zur „Teilhabegesellschaft“.

Erst ganz am Schluss kam Westerwelle auf das zu sprechen, was die Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der FDP derzeit wohl am meisten interessiert: den bevorstehenden Führungswechsel und das künftige Verhältnis zwischen ihm und Wolfgang Gerhardt. „Körperlich“ spüre er die Schwere der Entscheidung, sagte der designierte Vorsitzende und bat um Unterstützung. „Denn es geht nur mit Ihnen.“ Er dankte seinem langjährigen Chef für die „Freundschaft“ und erklärte: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns gut ergänzen werden an der Spitze.“ Mag sein. Jedenfalls hat Wolfgang Gerhardt seinem mutmaßlichen Nachfolger Unterstützung zugesichert – wenn auch mit einer aufschlussreichen sprachlichen Unsicherheit. Er wolle Loyalität zeigen „gegen den – gegenüber dem“ neuen Vorsitzenden. Die Gespräche zwischen beiden seien übrigens „gewaltfrei“ verlaufen. Loyalität forderte der scheidende Parteichef auch von anderen. Man müsse sich im Interesse der Partei auch einmal zurücknehmen können, forderte Gerhardt. Und obwohl er den Namen nicht aussprach, wussten alle, wer gemeint war: Wasserträger Jürgen Möllemann.