Schröders Weihnacht

Der Besuch des Ehepaars Schröder beim Ehepaar Putin in Moskau spart alle Konfliktthemen bewusst aus – sie wollen sich nur besser kennen lernen

MOSKAU taz ■ Die Tour de force durch Russlands Kulturlandschaft hat Gerhard Schröder sichtlich Spaß bereitet. Beim Spaziergang über den Roten Platz räumte der Kanzler freimütig ein, ernsthafte Gespräche stünden diesmal nicht auf der Tagesordnung. Kremlchef Putin korrigierte: Über das Ost-West-Verhältnis und Russlands Beziehungen zu Europa sei sehr wohl ausführlich debattiert worden. Die Nebensächlichkeit verrät: auch jenseits der Politik klaffen die Wahrnehmungen auseinander.

Das Gespür füreinander zu verbessern war der Sinn der mit Touristenattraktionen prall gefüllten Weihnachtsvisite. Nach dem Ballett „Giselle“, dem die beiden Staatsmänner von der Zarenloge im Bolschoi-Theater aus lauschten, ging es zur orthodoxen Weihnachtsandacht in die Erlöserkirche. Unter der Kuppel des wieder errichteten Monumentalbaus, der Russlands Anspruch und Größe symbolisiert, machte Gerhard Schröder erstmals einen verlorenen Eindruck. Auch die Putins, die ihre besten Jahre im Dienst des russischen Geheimdienstes KGB verbracht haben, sind noch keine erfahrenen Kirchgänger. Ein Blitzlichtgewitter erschlug Ludmilla Putina, als sie sich orthodoxem Brauch gemäß anschickte, das Kopftuch zu entfernen.

Tschetschenien und Schuldentilgung seien bei dem familiären Treffen bewusst ausgeklammert worden, meinte Kanzlerberater Michael Steiner: „Hier herrscht nach wie vor Dissens.“ Muss indes nicht nachdenklich stimmen, dass der deutsche Bundeskanzler zum russischen Friedensfest in ein Krieg führendes Land reist und es nicht für nötig hält, sich zum Blutvergießen auch zu äußern? Man wolle den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, rechtfertigte Steiner die vor Monaten vereinbarte Reise.

Es wäre allerdings verwunderlich und untypisch, wenn der Kreml daraus nicht den Schluss zöge, für das Verhältnis zu Europa spiele der Feldzug im Kaukasus keine Rolle mehr. Ganz zu schweigen von der moralischen Wirkung, die diese Botschaft für die Not leidenden Tschetschenen haben muss.

Putin und Schröder – auch die beiden Damen –, so Steiner, hätten „sehr schnell einen funktionierenden Draht gefunden“. Das hängt wohl auch mit den Deutschkenntnissen der Familie Putin zusammen, der Steiner „besondere Beziehungen zu diesem Land, Deutschland“ bescheinigte. Kurzum: Der Draht ist gelegt, einem offenen Wort dürfte das nächste Mal nun nichts mehr im Wege stehen.

KLAUS-HELGE DONATH