Dinieren, wo einst der Kaiser speiste

Wiedergeburt am Potsdamer Platz: Nach jahrelanger Restaurierung steht das Esplanade vor der Neueröffnung

Wilhelm II., Deutschlands letzter Kaiser, soll hier Herrenabende gefeiert haben. Man stelle sich vor: Honorige Männer mit Seehundschnauz und Frack zwischen Kronleuchtern und champagnerfarbenem Stuck. Gepflegte Konversation, rote Köpfe vom Politisieren, der Rauch dicker Zigarren in der Luft und von draußen weiches Gaslaternenlicht.

Heute flackert helles Neon in Rosa, Blau und Weiß unter dem Dach des hypermodernen Sony-Centers am Potsdamer Platz in Berlin. Doch inmitten des 1,5 Milliarden Mark teuren riesigen Stadtquartiers aus Glas und Stahl liegt wie ein Kleinod aus lang vergangenen Zeiten das alte, legendäre Grand Hotel Esplanade – ein Herzstück des Berliner Lebens Anfang des Jahrhunderts. Für 50 Millionen Mark wurden die vier erhaltenen Säle jahrelang restauriert – und bald können Berliner dort dinieren, wo einst der Kaiser speiste. Es ist, als würden sich zwei Welten begegnen. Hinter Glas schimmert im warmen Licht der Frühstückssaal des Esplanade – ein erstaunlicher Einblick für die 80.000 Menschen, die im Schnitt täglich durchs moderne Forum des Sony-Centers streifen: Raumschiff Enterprise diesseits, Neorokoko jenseits der Glasscheibe. Der Frühstückssaal soll zu einer der exklusivsten Cocktailbars der Hauptstadt werden.

Überhaupt werden die 2.500 Quadratmeter Fläche Alt- und Neubau des Esplanade zur reinen Gastromeile – das legendäre „Café Josty“, das Anfang des vergangenen Jahrhunderts Treffpunkt von Künstlern, Politikern und Schriftstellern war, lebt im Neubau wieder auf. Unter dem Namen „Kaizen“ wird ein asiatisches Restaurant eröffnet.

Was aus Silbersaal und Palmenhof werden wird, hütet Sony bis zum Frühjahr noch als Geheimnis. Die beiden Räume zeigen eine andere Epoche des Esplanade – die nach dem Krieg. Zu 90 Prozent zerstört wie ein hohler Zahn stand der Bau damals am Potsdamer Platz. In den 50er-Jahren wurden die Räume im „Adenauer“-Schick hergerichtet.

Herzstück des Esplanade ist ebenjener Kaisersaal, in dem Wilhelm II. seine Herrenabende feierte. Er machte den spektakulärsten Teil der Restaurierung aus: In einem bisher nie da gewesenen technischen Verfahren wurde der Saal 1995 auf Luftkissen gehievt und um 75 Meter verschoben – er wäre einer Straße im Weg gewesen. Die Restauration des Esplanade zeigt vier Altersstufen – die Jetztzeit im Neubau, die Wirtschaftswundersäle, die Nachkriegsfassade und die beiden Schmuckstücke vom Beginn des 20. Jahrhunderts.

Der Kaisersaal ist nun restauriert, Willem Zwo strahlt von einem Ölgemälde auf die Besucher herab, das bei der Restaurierung unerwartet hinter Spiegelscheiben aufgetaucht war. Nebenan ist eine besondere Attraktion für die späteren Besucher restauriert worden: Der Ort, an den selbst der Kaiser zu Fuß ging, der private Waschraum der Majestät, glänzt mit original Marmorwänden, Waschbecken aus champagnerfarbenem Porzellan und Jahrhundertwende-Pissoirs.

KATJA BAUER, DPA