„Nachdenklich gemacht“

Horst Porath, ehemals Polizeibeamter und heute SPD-Sozialstadtrat im neuen Großbezirk Mitte, über Joschka Fischer, Jugendsünden und verprügelte Polizisten

taz: Herr Porath, sind Sie als Polizist einmal verprügelt worden?

Horst Porath: Nein.

Aber in der SPD sind Sie sicher Parteikollegen begegnet, die auf der anderen Seite der Barrikade standen?

In der SPD gab es schon damals viele Diskussionen mit Jusos, auch über die Rolle der Polizei. Davon waren auch viele Parteiveranstaltungen geprägt.

Ist der ehemalige Polizeibeamte und heutige SPD-Stadtrat Horst Porath tolerant gegenüber den Jugendsünden ehemaliger Revolutionäre?

Jedem müssen auch Irrtümer zugestanden werden.

Was waren Ihre eigenen Jugendsünden? Oder hatte einer, der mit 17 Polizist wurde, immer eine weiße Weste?

Tja, was hab ich für Jugendsünden gehabt?

Walter Momper hat mal eine Kiste Apfelsinen geklaut.

Das habe ich nicht gemacht.

Oder Haschisch geraucht?

Drogensachen gab es bei mir nicht, auch keine anderen Auffälligkeiten. Wer mit 17 zur Polizei geht, passt besonders auf.

Sie waren seit 1969 bei der Diskussionseinheit der Berliner Polizei. Die Psychobullen waren bei den Demonstranten aber nicht sehr beliebt, oder?

Das ist richtig. Die Demonstranten haben gesagt: Die quatschen uns voll und halten uns von unseren Aktionen ab.

Waren die Demonstranten damals Ihre Gegner? Oder sind Sie auch auf der Straße politisiert worden, zum Beispiel durch knüppelnde Kollegen?

Am Anfang waren das Gegner gewesen, ganz klar. Dass die ein berechtigtes Anliegen hatten, zum Beipiel beim Vietnamkrieg, ist erst mit der Zeit klar geworden.

Gab es für Sie persönlich ein Erlebnis, das Sie zum Nachdenken gebracht hat?

Gründonnerstag 1968, als Dutschke auf dem Ku’damm angeschossen wurde. Da waren wir anschließend beim Einsatz vor dem Springer-Gebäude und wurden von den Demonstranten durch eine Scheibe gedrückt. Dennoch habe ich seitdem darüber nachgedacht, was Springer ist und so weiter.

Glauben Sie, dass die Diskussion um Joschka Fischer zur Vergangenheitsbewältigung beiträgt oder mit dem Hinweis auf die Jugendsünden auch vieles entpolitisiert wird?

Jeder Mensch hat das Recht auf eine fehlerhafte Jugend. Man muss ihm dann auch zubilligen, dass er heute vieles anders sieht.

Auch als Außenminister?

Natürlich. Die politische Kaste an der Spitze ist doch nichts anderes als die Spitze eines Teils der Gesellschaft, die sich weiterenentwickelt hat. INTERVIEW: UWE RADA

Horst Porath (50) war von 1967 bis 1989 Polizist, unter anderem bei der „Diskussionseinheit“ und in den 80er-Jahren als Verbindungsbeamter bei Demonstrationen. 1989 wurde er Baustadtrat in Tiergarten, heute ist er Sozialstadtrat in Mitte.