paradies odenwald von JÜRGEN ROTH
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Ein Mann, der mir gut bekannt ist, hatte sich für einen Frühabend im Odenwald verabredet, eine Freundschaft zu pflegen, die noch nicht sehr lange bestand. Sie war einige Monate zuvor geschlossen worden, an einem heißen Mainachmittag in einem Bierkeller der Fränkischen Schweiz.

Der alte Brauer lief, damals, vor dem weiß gestrichenen, durch hohe Linden beschatteten Anwesen herum und winkte deklamierend die wenigen einhertrottenden Menschen zu sich und seinen Söhnen, die ein klares Helles produzieren, herein. Der Mann hörte dem rüstigen Senior zu; wie er munter rief, das Bier hier dürfe man bedenkenlos trinken, und einen Schweinsbraten serviere man. Man solle ruhig probieren.

Eine kleine englische Reisegruppe folgte der Einladung. Der Mann, der mir nicht unbekannt ist, saß beim fünften Bier. Ihm gegenüber hockten die Juniorchefs, speisten rohe Klöße trotz der Hitze und rauchten. Sie beklagten die Macht der Großen. Immerhin, während des Bockanstichs sei der Teufel los, platze die Wirtschaft, die sie jetzt nicht öffnen wollten, das Kaiserwetter verbiete es, aus allen Nähten.

Der Mann hob das Glas, und das Ehepaar Rehse erschien, das er bereits an den letzten vier Exkursionsstationen als fachkundiges Getränketandem beobachtet hatte, unter den tief hängenden Kronen. Mannomann, dachte der Mann, das könne wohl nicht wahr sein, sprach es aus, und die Freundschaft war beschlossene Sache.

Im Odenwald, in Fürth-Ellenbach wohne man, und sie vereinbarten einen Besuch. Der Mann sah der Besichtigung einer winzigen Brauerei freudig entgegen, und dort trafen sie, das Ehepaar und der Mann, Wochen später zusammen. Schafe grasten am Hang, ein Gewitter brauste, und unter der Pergola des Einfamilienhauses leerten sie Humpen mit dem Brauer, einem Kenner der Materie und von Fachanekdoten. Der Mann musste nicht viel sprechen. Ein Kubaconnaisseur erläuterte die Misslichkeiten pädagogischer Arbeit rund um die Bergstraße. Die Zigaretten qualmten.

Das feinste Bier sei das gewesen, gestand er, erzählte mir der Mann, den Rehses, und die Rehses antworteten, nun ginge es zum schönsten Restaurant des Odenwaldes, das läge in Schrittweite ihrer Wohnung, wo eine Schlafmöglichkeit existiere, aber man nutze meist den Camper zum Nächtigen, wenn das Ludwigshafener Mayer Dunkel die Stimmung recht stark erhelle. Der Wirt, berichtete mir der Mann, sei ein zuvorkommender Mensch. Einen Zopf trage er, und er zeigte ihm nach einem üppigen Salat den Fürth-Ellenbacher Gesellschaftssaal, den hunderte Balistühle ausstaffierten – ein unaufdringlich kräftiger Glanz der Dinge.

Die Wörter seien auf Urlaub geschickt, erörterte der Mann, doch heute müsse er reden. Am Ufer des Baches, dessen Murmeln das Klappern der Teller begleitete, spielten Kinder, und die Rehses lachten und mahnten schließlich zum Heimweg, um von der Terrasse das Feuerwerk, das zwischen den Gemäuern der Burg Lindenfels gezündet wurde, anzusehen. „Schön, nicht?“, hätte später Herr Rehse gesagt, und der Mann, so der Mann, dann erwidert: „Schön.“