herr hefele kriegt zwei minuten: ALBERT HEFELE über einen unauffälligen Heimkehrer
Lothar aus dem Kleiderschrank
Übrigens: Lothar ist wieder da. Zurück aus dem großen Apfel. Still und heimlich. Na ja, so heimlich wohl auch wieder nicht. Aber: Ich zum Beispiel habe es erst spät mitgekriegt. Für seine Verhältnisse jedenfalls hat er sich fast zurückgeschlichen mit Lebensgefährtin Maren. Das, so meine ich, deutet auf mindestens zweierlei hin. Erstens: Lottes Auftritt in der Fremde war wohl nicht so ganz berauschend, und zweitens: Die Daheimgebliebenen brechen angesichts seiner Rückkehr offenbar nicht in ekstatischen Jubel aus. Gewesener Fußballer, der er ist. Er wird es nicht leicht haben. Sie werden es nicht leicht haben: er und Maren. Die mir übrigens ein großes Rätsel ist.
Gut, sie ist wohl noch ziemlich jung und durch Dinge wie Ruhm und „große Welt“ zu beeindrucken. Dennoch, wer eine Zeit in New York gelebt und nicht die ganze Zeit geschlafen hat, muss eine andere Sicht von Dingen und Menschen entwickeln. Und: Nach meiner Einschätzung dürfte ein solcher Wertewandel Lotte nicht besonders gut aussehen lassen. Mal ehrlich: So viel Matthäus als Fußballer zu bieten hatte, als Mensch hat er keine große Lücke hinterlassen. Ein Aufruf der Art „Lothar, komm zurück!“ ist mir jedenfalls nicht zu Ohren gekommten. Eher meinte ich ein sachtes Aufatmen in den Kommentaren zu verspüren. Ein: „Hoffentlich behalten sie ihn noch ein Jahr ...“ Ich will aber zugeben, dass meine Wahrnehmung täuschen kann, da sie möglicherweise persönlich gefärbt ist. Weil ich einer von denen bin, die Lottes Wirken abseits des grünen Rasens mit wenig Sympathie verfolgen.
Obwohl Lothar Matthäus nicht darunter leiden wird und es überhaupt keine Rolle spielt, frage ich mich deswegen durchaus hin und wieder, ob man das eigentlich darf. Jemanden zwar nicht gerade zu hassen, ihn aber doch – in der internen Werteskala – als minderwertige Persönlichkeit einzustufen, obwohl man (also ich) ihn eigentlich nur indirekt kennt. Via Fernseh- und Zeitungsberichterstattung. Interviews und Statements nach dem Spiel. Ein paar Pressekonferenzen, auf denen man ihn persönlich beobachten konnte. Wobei der persönliche Augenschein keinerlei neue Erkenntnisse gebracht hat. Lotte tut lebendig genauso wie im Fernsehen. Siehe eine wunderbare Homestory, die es mal über ihn zu sehen gab.
Das war – glaube ich – zu der Zeit, als seine Lolita (übrigens sollten alle Ehefrauen von Lothar Matthäus so heißen) sich von ihm verabschiedet hatte und er, wie es halt seine Art ist, allen Frust per Geplappere loswerden musste. Meine Lieblingsszene war Lotte in seinem begehbaren Kleiderschrank, inmitten zahlloser bunter Sakki (P. Unfried), seinen Wohlstand demonstrierend: So weit hab ich’s gebracht. So kennt man ihn. So ist er wohl auch.
Er bemüht sich, nicht allzu dick aufzutragen, aber er ist eitel und geradezu gierig nach Aufmerksamkeit. Er weiht uns in eine Vielzahl von Erkenntnissen ein, die er angeblich gewonnen hat, aber er ist nicht klug. Er möchte weltgewandt und locker und großzügig sein, verständnisvoll und abgeklärt. Er ist aber ziemlich genau das Gegenteil: Er ist kleinkariert und missgünstig und intrigant. Und provinziell. Da kann er dreihundert Jahre in New York wohnen, es wird nichts daran ändern.
Wohlgemerkt – Provinzialität ist aus meiner Sicht keineswegs ein Vorwurf. Ich kenne mehr als genug „weltgewandte“ Großstädter, die in ihrer Großstädtischkeit nichts anderes sind als rießengroße Arschlöcher. Und es gibt Provinzler, die in ihrem holperigen Ungeschick sehr sympathisch wirken. Voraussetzung: sie stehen dazu und können ihre Rolle und ihre Wirkung auf andere relativieren und mit gutmütiger Ironie betrachten. „Charme“ nennt man ein solches Eigenschaftenpaket. Darum kann Franz B. vor Millionen Leuten über Tiimworrrck gurgeln und es tut seinem Renommee keinerlei Abbruch. Wenn Lotte quasi englisch umeinanderstammelt, freuen sich alle, dass er sich blamiert hat. Vielleicht hätte er in New York bleiben sollen.
Fotohinweis:Albert Hefele, 48, ist Ergotherapeut und schreibt über fundamentale Dinge des Lebens.
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