Coca-Cola und olle Marx

■ Marx- und Engels-Straße umbenennen, fordert Pastor Jens Motschmann / Die ersten Sozialisten waren Rassisten und Antisemiten / Die SPD sagt dazu „Schapsidee“

Wer dauernd nach rechts spuckt, muss auch mal nach links gucken, findet Pastor Jens Motschmann von der Martinigemeinde und hat jetzt Bausenatorin Christine Wischer (SPD) aufgefordert, Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Bremer Straßennamenbild zu verbannen. Die beiden Ursozialisten geben ihren Namen einer langen Straße in Obervieland. Zu Unrecht, erklärt Motschmann: „Sie bekannten sich zum Antisemitismus und zum Rassismus.“ Er sei überzeugt, schreibt Motschmann an Wischer, „dass Sie meinen Antrag verstehen und das Nötige zu seiner Umsetzung in die Wege leiten werden.“ Seine Alternativen für Marx und Engels: Zionist Theodor Herzl und Rabbiner Leo Baeck oder Staatschefs Begin und Sadat. „Mit freundlichen Grüßen, Jens Motschmann.“

Eine „Schnapsidee“, sagt SPD-Pressesprecher Werner Alfke dazu und bringt die Stimmung auf den Punkt. „Das lief so nebenher“, sagt Dr. Thomas Faist vom Institut für interkulturelle und internationale Studien an der Uni Bremen über die Judenfeindlichkeit der linken Vordenker. „Zeitgeist-Antisemiten“ seien sie gewesen wie so viele. „Das macht es nicht besser“, sagt Faist. Er warnt davor, beide „in Grund und Boden zu stampfen.“

Bauressort-Sprecher Holger Bruns verspricht genaueste Prüfung der pastoralen Idee, aber so viel kann er sagen: Straßen umzubenennen sei ein riesiger Verwaltungsakt und deshalb zu lassen. Ein Senatsbeschluss von 1965 erlaubt Umbenennungen nur in Ausnahmen, nicht zuletzt deshalb, um Straßentaufen nach Opportunitäten zu unterbinden. Außerdem gehörten Marx und Engels „irgendwie zur deutschen Geschichte dazu“. So „wie Coca-Cola zu Amerika“.

Marx – ein Antisemit? „Oh“, sagt dazu PDS-Frau Silke Lieder, aber über Motschmann urteilt sie schneller: „Der ist Antikommunist und Antisozialist, was sonst.“

Jens Motschmann, dem einst das Studium an der Karl-Marx-Universität in Leipzig verwehrt wurde, führt indes die Ethik ins Feld, um die es Marx und Engels schließlich gegangen sei. Da falle Judenhass anders ins Gewicht als beispielsweise bei Komponist Richard Wagner, bei dem es eigentlich ums Komponieren und nicht um „sonderbare Bemerkungen“ gehe.

Geschichtsprofessor Imanuel Geiss schließlich sagt, „Antisemitisch“ sei heutzutage „Totschlagwort“. Marx und Engels von Straßenschildern zu tilgen sei „puristische Bilderstürmerei“. Ach, und noch etwas: St. Martini stehe schließlich den Evangelikalen näher als anderen Strömungen. Vorfahren dieser Evangelikalen seien die Pietisten gewesen und die wiederum haben einst Jud Süß Oppenheimer in den Tod getrieben. sgi/Fotos: Nikolai Wolff