Gut gezielte Breitseite

NRW legt ein radikales Konzept für grünen Landbau vor. SPD und Grüne fordern von Funke einen Kurswechsel

von BERNHARD PÖTTER

Einen kleinen Triumph konnte Bärbel Höhn sich nicht verkneifen. „Dass ich gelobt werde, finde ich berechtigt“, sagte die grüne Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt gestern in Düsseldorf mit Blick auf ihren jahrelangen Kampf gegen BSE. Sie führt ein Ministerium, das die Gegensätze Landwirtschaft und Umwelt unter einem Dach vereint. Deshalb legte Höhn gestern ein Konzept vor, das am radikalsten die Ökologisierung der Landwirtschaft fordert – und SPD-Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke weiter unter Druck setzt.

Höhn fordert eine umfassende Abkehr von der bisherigen Agrarpolitik, die „Tiere nur als betriebswirtschaftliche Produktionsfaktoren“ ansieht. Wie Funke fordert sie eine Positivliste und die offene Deklaration für Futtermittel, ein Ende der Antibiotika in der Tiermast und schärfere Regeln für Tiertransporte. Ganz anders als der Landwirtschaftsminister aber will sie Subventionen für die Bauern nur nach Umwelt- und Verbraucherschutzkriterien vergeben und die Landwirtschaft auf Öko-Kurs trimmen (siehe Kasten).

Höhns Breitseite gegen Funke ist gut gezielt. Denn der Minister ist so unter Druck, dass er seinen eigenen Staatssekretär Martin Wille zurückpfiff, der mit dem Umwelt-Staatssekretär Rainer Baake ein ähnliches Konzept zur Ökologisierung der Landwirtschaft erarbeitet hatte. Gestern distanzierte sich Wille gegenüber der taz von dem Papier. Doch obwohl das Landwirtschaftsministerium die Reihen wieder schließt, wächst der Druck von außen: Bundeskanzler Schröder hat erklärt, das Wille-Baake-Papier sei ein „guter Denkanstoß“.

Die Abgeordneten der rot-grünen Koalition verlieren die Geduld mit Funke. „Wir wollen ein effizientes, modernes Ministerium, das seine Agrarpolitik nach dem Verbraucherschutz und dem Umweltschutz ausrichtet“, sagt die agrarpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Höfken. „Unsere Erwartungen sind klar. Wenn Minister Funke sie nicht erfüllt, muss er die Konsequenzen ziehen.“ Und auch in der eigenen Fraktion hat Funke „Rückhalt, wenn er sich in Richtung auf das Wille-Papier bewegt“, sagte Andreas Weisheit, agrarpolitischer Sprecher der SPD, gegenüber der taz. „Die Fraktion will auf der Klausur am Freitag ein eigenes Papier vorlegen und einen grundsätzlichen Wandel in der Agrarpolitik verlangen. Wenn die Abgeordneten das entscheiden, wird Funke das umsetzen“, so Weisheit.

Schließlich hat Funke schon zugestanden, der Bereich Verbraucherschutz könne aus seinem Ministerium herausgelöst werden. Die Belange der Konsumenten sollen möglicherweise in einem Verbraucherschutzministerium gebündelt werden, schlug die BSE-Beauftragte Hedda von Wedel vor. Die Grünen dagegen wünschen sich ein Bundesamt für Verbraucherschutz, das dem Gesundheitsministerium angegliedert ist. Parteichef Kuhn warnte gestern vor voreiligen Entscheidungen. Diese Angst ist wohl unberechtigt. Entschieden werden soll erst nach von Wedels Bericht. Und der kommt im Juni.