Stilvoller Zyniker resümiert

Brückenschlag zu den 80ern: Joe Jackson flirtet wieder mit dem Pop  ■ Von Volker Peschel

„Giuliani has to die – the fucker. Give me a gun. I'll do it myself“, kündigte Joe Jackson den Song „Just Because“ auf der laufenden Tour in Atlanta an. Unmissverständliche Gefühle für den langjährigen New Yorker Bürgermeister und seine „zero tolerance“-Politik. Argwöhnisch und fast schon mit der Selbstverständlichkeit eines Woody Allen berichtet der „Englishman in New York“ Jackson inzwischen über „seine“ Stadt, seinen Wahl-Wohnsitz am Hudson.

Auf seinem neuen Album Night & Day II betrachtet er den Big Apple noch einmal neu – mit der selben Methodik wie einst 1982 beim (gleichnamigen) Vorgänger: Schaut aus der Sicht verschiedener Bewohner – sei es ein Einwanderer oder ein Transvestit –auf das Treiben des sogenannten Melting Pot. Er scheint es noch einmal wissen zu wollen. Mit zwei aufeinanderfolgenden neuen Alben, dem Live-Mitschnitt Summer in the City und dem genannten NAD II, sowie einer Art Autobiografie namens Ein Mittel gegen die Schwerkraft scheint er im Jahr 2000 im Dreierpack seinen Marktwert tes-ten zu wollen. Joe Jackson, der Kultstar aus den beginnenden Achtzigern, der Musiktüftler und geschickte Grenzgänger, dem die Ausflüge in klassische Gefilde soviel Kritik und Unverständnis und zumindest kommerziellen Misserfolg in den letzten Jahren einbrachten.

Doch missverstanden zu werden ist keine neue Erfahrung für den inzwischen 46-jährigen, hageren Feingeist. Er wuchs als blasser, kränklicher Junge im südenglischen Portsmouth auf, wegen seiner Begeisterung für Beethoven von Gleichaltrigen misstrauisch beäugt. Mit elf Jahren erlernt er Geige, später Percussion, Oboe und natürlich Piano. Er erhält ein Stipendium der „Royal Academy of Music“ in London, studiert dort drei Jahre, fühlt sich jedoch eingeengt. Zu snobistisch erscheint ihm der Umgang mit Klassik, also spielt er Rock am Klavier in Herrenclubs. Er hatte all diese wütenden Texte, aber er verpasste die Punk-Ära. Und geriet an New Wave, ohne je deren kühle Distanz zu erreichen; bezeichnend der Titel seines ersten Albums von 1979: Beat Crazy.

Ganz unauffällig im populären Schatten von Elvis Costello oder Graham Parker agierend, wurde er dennoch prägend für die Popwelt. Joe Jackson, der „angry young man“, der hagere Kauz, der, ein wenig überraschend, alle Fähigkeiten eines charismatischen, wenn auch etwas eigenartigen Entertainers besitzt. „I kid myself I look real smooth.“ Seine Fan-Gemeinde wuchs, die merkwürdig anmutende, teils schwer zugängliche Mixtur aus Pop mit der ganzen Palette aus Punk, Blues, Jazz oder Reggae begeistert aufsaugend. „I'm the Man“ verkündete der jugendliche Asthmatiker, der sich einst vor dem Sportunterricht drückte. Und nun erhört wurde.

Dazu erwarb er sich im Laufe seiner Karriere eine gehörige Portion Ignoranz. Ungeachtet aller Stile und Zeitgeister musizierte er trotzig und selbstsicher gegen die Popwelten an. Gegen die Kritiker, die immer wieder eine klare Entscheidung zwischen elitär-klassischen und banaler-poppigen Tönen einfordern, E oder U sozusagen. Und nicht selten auch gegen sein eigenes Publikum. Eine Sturheit, die ihm Vergnügen bereiten zu schien: Dem Erfolg der ersten Alben ließ er die Swing-Platte Jumpin Jive' folgen. Den Übergang in die Neunziger Jahre bestritt er mit klassischen Kompositionen, wechselte zum beschaulichen Label Sony Classical, verweigerte sich der Öffentlichkeit.

Und begrüßt nun das neue Jahrtausend mit der erwähnten Dreifaltigkeit seines aktuellen Schaffens. Was lässt sich also von der Tournee erwarten? Wie präsentiert sich Jackson mit seiner wieder gewonnenen Freude am Pop (im Sinne von populär)? Eine sechsköpfige Band wird ihn begleiten, mit dabei altgediente Wegbegleiter wie die Percussionistin Sue Hadjopoulos oder der Bassist Graham Maby. Fast drei Stunden Zeit ließ er sich für einige der US-Auftritte, erzählte genüsslich die ein oder andere Episode zu seinen beiden Night & Day-Alben, die neben Hits wie „Got the Time“ im Zentrum seiner Show stehen. Seinem Brückenschlag über fast 20 Jahre New Yorker Lebensgefühl. Man nutze also die rare Gelegenheit, den nicht mehr ganz so wütenden, nicht mehr ganz so jungen Mann live auf der Bühne das Resümee seines Schaffens ziehen zu lassen. Denn wer weiß, wann und ob er sich ein weiteres Mal bequemt, der Eigensinnige, dessen Songwriting und kompromisslose Begeisterung für Musik so wegweisend war. Und ist.

Also: Das weiße Hemd stärken, einen Drink genießen und vielleicht einen Zigarillo und danach gemessenen Schrittes den Platz einnehmen im CCH, um dem schmächtigen großen Meister der hinterhältigen Pop-Anekdote zu lauschen.

Sonntag, 20 Uhr, CCH 2