Vom Stadtrat in den Knast

Nach Überfall auf KZ-Gedenkstätte Kemna muss der Schwelmer NPD-Mann Thorsten Crämer in Haft

von NICOLE MASCHLER

Nach außen gab sich Thorsten Crämer stets zurückhaltend. Durch „große Reden“ sei der NPD-Vertreter im Schwelmer Stadtrat nie aufgefallen, erinnert sich sein grüner Ratskollege Marcel Gießwein. Einem SPD-Abgeordneten galt Crämer „als ruhiger Typ, als einer, der die Strippen zieht und die anderen schlagen lässt“. Bis zu jenem Tag im Juli 1999. Mit Schlagstöcken, Messern, Steinen und Reizgas überfiel Crämer mit drei NPD-Kameraden eine Gedenkfeier am früheren Wuppertaler KZ Kemna und verletzte mehrere Personen.

Das Landgericht Wuppertal sah es als erwiesen an, dass Crämer die Attacke organisierte, und verurteilte ihn am Dienstag wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch zu zwei Jahren und drei Monaten Haft. „Das Fußvolk“, so der Richter, „hätte ohne ihn die Tat nicht einmal angedacht.“

Tatsächlich wirkte Crämer bislang als Stratege im Hintergrund. Er gilt als einer der führenden Köpfe des „Deutschen Kulturwerks“ in Nordrhein-Westfalen, eines „parteiunabhängigen Zusammenschlusses von volkstreuen und kulturell interessierten Deutschen“. Dessen Stoßrichtung ist indes eindeutig: Erst im Sommer referierte Rechtsextremist Manfred Roeder zum Thema „Wir bauen das Reich“. Im „Kulturwerk“ sollte der 25-jährige Crämer, der an der Gesamthochschule Wuppertal studiert, vor allem jüngere Leute aus rechten Gruppierungen vernetzen. Im Kommunalwahlkampf war Crämers Handy die zentrale Telefonnummer der NPD-Wahlkampfleitung.

Zu seiner Verteidigung im Prozess wurde eigens NPD-Vize Hans-Günter Eisenecker abgestellt. Denn Crämer spielt nicht nur eine wichtige Rolle in der Partei. Mitten in der Diskussion um ein NPD-Verbot kam der Prozess zudem denkbar ungelegen.

Crämer versuchte denn auch zunächst, seine eigene Rolle beim Überfall zu verharmlosen, und verstieg sich gar zu der Behauptung, dass „die von mir mitgebrachten Eier rein passiven Charakter“ hatten. Als Asthmatiker sei sein Mandant zu einer solchen Attacke auch gar nicht fähig, argumentierte Eisenecker. Als leugnen nicht mehr half, änderten der NPD-Mann und sein Verteidiger die Strategie: Crämer leide an einer durch die Krankheit bedingten psychischen Störung, die ihm ein „durchdachtes gesteuertes Verhalten“ vor der Tat unmöglich gemacht habe. Dabei hatten die Angreifer ihre Opfer beobachtet, bevor sie zuschlugen. Sie wussten also, dass sie vor allem ältere Leute treffen würden. Umso perfider wirkte Crämers Auftritt vor Gericht.